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Newsletter abonnieren Nicht mehr anzeigenZu den vielen AGs unserer Schule kam im letzten Schuljahr die AG “Schreibwerkstatt” dazu. Ihr Ziel? Die Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit bekommen, auch mal etwas andere Texte zu schreiben als gewöhnlich im Deutsch-Unterricht. Also keine Aufsätze oder andere Texte, die relativ strengen formalen Vorgaben folgen. Stattdessen: Mehr Raum für Fantasie und spannende Ideen. Ein Thema der Schreibwerkstatt war eine Science-Fiction-Geschichte, die im Jahr 2050 auf der Insel Nonnenwerth spielen sollte. Einzige Vorgabe sonst: Die Hauptfigur sollte Clarissa heißen. Es entstanden eine ganze Reihe spannender, fantasievoller Geschichten, die komplett von den Schülerinnen und Schülern ausgedacht und geschrieben wurden. Wichtig: Es handelt sich um hundertprozentig fiktive Geschichten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind also rein zufällig.
Hier können können Sie die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler lesen und in deren Ideenwelten eintauchen:
Seit Clarissa denken konnte, gab es nur einen einzigen Tag: den 13. Mai. Zwar änderten sich Jahr und Tag, doch der 13. Mai blieb. Das war nun schon 13 Jahre her.
Es fing an dem Tag an, an dem Clarissa geboren wurde und ihre Mutter starb. Am 13. Mai.
Wieso, wusste niemand. Keiner in ihrem Land feierte noch Geburtstag, keiner feierte irgendwas. Alle versanken gedanklich in ihren neumodischen Geräten.
Clarissa ging auf eine sehr besondere Schule. Es war eine Insel für die sogenannten „Träumer“. Träumer hassten es, mit Schwebeplatten zu fahren, sich zu teleportieren oder eine Multifunktionsuhr zu tragen, die mit Gedankenübertragung funktionierte. Lieber gingen sie zu Fuß, trugen ganz normale Armbanduhren und benutzten Tastenhandys.
Genau so eine war Clarissa und genau so waren alle Schüler, Lehrer und Schwestern, die sich Tag für Tag auf Nonnenwerth einfanden.
Träumer gab es nur sehr wenige auf der Welt. Deshalb waren die Klassen auch nicht umfangreicher als fünf Schüler.
Dinge, die Träumer mochten, waren leider sehr teuer, denn die meisten waren schon mehr als 40 Jahre alt.
Von einem eigenen Buch wagte Clarissa nur zu träumen, das war auch ihre Lieblingsbeschäftigung.
Clarissa träumte sich immer in die frühere Zeit zurück, als die Menschen noch mit Stiften auf Papier schrieben.
Am Morgen wurde Clarissa von ihrem Vater Sanova geweckt.
Er fand sich nur schwer damit ab, dass seine Tochter eine Träumerin war und nicht seine Interessen teilte. Trotzdem hatten die beiden ein gutes Verhältnis.
„Aufstehen, mein Schatz! Ich wollte dich auf dem Weg zur Arbeit auf meiner Schwebeplatte mitnehmen.“
„Ach, Papa“, erwiderte Clarissa, „ du weißt doch, dass mir auf diesen Schwebeplatten immer schlecht wird.“
„Schade, Mäuschen. Du musst trotzdem aufstehen“, sagte Sanova traurig.
Eine halbe Stunde später stand Clarissa vor dem großen Elektro-Tor, durch das man zur Nonnenwerth-Brücke gelangte und hörte zum hundertsten Mal „Bitte mit ihrem Fingerabdruck identifizieren!“
Widerstrebend drückte Clarissa ihren Zeigefinger auf das kleine, runde Feld, bis die Computerstimme sagte: „Fingerabdruck positiv! Bitte treten Sie ein!“
Zehn Minuten später stand sie neben ihrer Freundin Juna.
Junas und Clarissas Freundschaft war sehr besonders, denn eigentlich hatten Träumer keine Freunde.
„Was haben wir in der ersten?“, fragte Juna.
„Ich glaube Uhrenkunde“, antwortete Clarissa.
„Mist! Ich habe keine Uhr an. Können wir uns deine teilen?“
„Klar, Juna. Komm, es geht jetzt los!“
Nach der Schule wollte Clarissa gerade durch das große Tor wieder in die normale Welt gehen, als sie etwas glitzern sah.
Sie drehte den Kopf und folgte wie in Trance dem kleinen, unscheinbaren Funkeln zurück auf die Insel.
Als sie näher kam, sah sie einen kleinen Stein, von dem das Glitzern ausging. Der Stein war nicht besonders groß, ungefähr so wie ein Flaschendeckel, doch er zog Clarissa magisch an.
Sie hob ihn hoch und auf einmal wusste sie genau, wohin sie musste: in die alte Kapelle, die für Schüler eigentlich streng verboten war.
Doch das war Clarissa im Moment egal.
Als sie vor der schweren Eichentür stand, fragte sie sich, ob sie jetzt völlig durchdrehen würde, aber dann fiel ihr Blick auf den Stein, der immer noch in ihrer Hand ruhte und sie schob die Tür auf.
Der Raum war nicht allzu groß, aber wunderschön.
Malereien zierten die Decke und an den Wänden hingen Bilder von verschiedenen Frauen. Da waren verschiedene Schwestern und, Clarissas Herz setzte für einen Moment aus, ihre Mutter! Das Bild war schon etwas vergilbt, trotzdem war ihre Mutter unverkennbar: die langen, schwarzen Haare, die vollen Lippen und die wunderschönen blau-grauen Augen.
Der Stein in Clarissas Hand begann zu glühen.
In Clarissas Kopf war nur ein Gedanke: Dieser Stein gehört in die Öffnung unter dem Bilderrahmen!
Sie sah zwar nichts, aber sie spürte es.
Unter dem Bilderrahmen war tatsächlich ein Spalt.
Der Stein passte genau hinein. Sobald der von Carinas Händen gewärmte Stein den kühlen Bilderrahmen berührte, erschien ein flackerndes Bild an der Wand. Es war ihre Mutter mit einem kugelrunden Bauch. Sie hustete und sah sehr schwach aus. Clarissa liefen Tränen über die Wangen, vor allem, als ihre Mutter anfing zu sprechen:
„Mein liebes Kind… Diesen Stein solltest du finden, wenn es an der Zeit ist. Anscheinend ist es nun soweit. Ich möchte dir deine Geschichte erzählen. Vor 13 Jahren, als ich schwanger war, wurde mir plötzlich alles klar. Am 13. Tag vor deiner Geburt wusste ich schon, dass du eine Träumerin werden würdest, wie ich. Ich merkte, dass ich an deiner Geburt mein Haus an dich abgeben musste. Dieses Haus gehörte einst mir, nun gehört es dir. Doch sage es niemandem, sondern offenbare deinen Besitz erst, wenn Nonnenwerth Böses droht. Du wurdest an einem 13. Mai geboren und kurz davor hatte ich eine Offenbarung. Eine Schwester, Schwester Blumina, erzählte es mir. Leider verstarb sie noch am selben Tag. Erst wenn du deine Gabe zwischen den Welten findest und wahren Mut beweist, wird die Zeit erlöst. Meine Zeit geht bald zu Ende. Ich bin schwach. Vergiss nie, mein Kind, ich werde dich für immer lieben!“
Dann verschwand das Bild und es wurde wieder dunkel um Clarissa herum. Sie setzte sich auf den staubüberzogenen Boden.
,Was hat das zu bedeuten?‘, dachte Clarissa, denn das war die naheliegendste Frage.
,Und was bedeutet eine Gabe zwischen den Welten finden? Es leben doch alle auf derselben Welt.‘
Clarissas Handy riss sie aus den Gedanken. Das lachende Gesicht ihres Vaters erschien auf dem Display.
„Hallo Papa, was ist los?“
„Wo bleibst du Clarissa? Wir wollten schon vor einer halben Stunde los zu Onkel Gertrudus. Er wird sauer sein.“
Erst jetzt merkte Clarissa, dass sie fast eine Stunde in der kleinen Kapelle gesessen hatte, sich nur mit zwei Gedanken beschäftigt und nicht mal eine Lösung gefunden hatte.
Nur eines war ihr klar: All das musste sie alleine herausfinden. Ihre Mutter hatte das so gewollt.
„Ja, tut mir leid, Papa. Ich komme.“
„ Na schön, Schatz. Beeil dich!“
15 Minuten später saßen Sanova und Clarissa auf der Schwebeplatte und fuhren zu Onkel Gertrudus.
Clarissa merkte, wie sich ihr mal wieder der Magen drehte. Diesmal nicht nur wegen der Schwebeplatte, sondern auch, weil Onkel Gertrudus sehr mit der Zeit ging. Er hatte eine komplette Hightech-Wohnung, wogegen Clarissa und Sanova in einem eher altmodischen Haus wohnten.
Clarissa liebte ihr Zuhause, doch Sanova hasste es. Das merkte Clarissa.
Er würde lieber leben wie Onkel Gertrudus, aber das ging nicht, da Clarissa sich immer fast übergeben musste bei neumodischer Technik, wenn Roboter einem den ganzen Haushalt abnahmen und die Pommes in den Mund beamten.
„Papa, ich will da nicht hin. Ich hasse es da. Ich hasse Onkel Gertrudus und vor allem sein Haus.“
Ihr Vater antwortete, ohne von der Fahrbahn aufzuschauen: „Ich weiß mein Schatz. Aber einmal im Monat möchte ich die technischen Geräte ausprobieren, also stell dich nicht so an. Manchmal ist es wirklich, als würdest du in einer ganz anderen Welt leben.“
„Schon möglich Papa. In einer anderen Welt…“, murmelte Clarissa nachdenklich, denn plötzlich fielen ihr die Worte ihrer Mutter wieder ein: Wenn du deine Gabe zwischen den Welten findest.
Jetzt wusste sie es!
Sie musste ihre Gabe finden, die Technik und Nonnenwerth verbindet, damit sich das Datum verändert und die Menschen wieder Geburtstag feierten, wieder einen klaren Kopf bekamen und nicht irgendwann wie hirnlose Roboter da saßen und jeden Tag das Gleiche taten!
Und noch auf dem Weg wusste sie, womit sie anfangen wollte. Sie wollte in Onkel Gertrudus Haus die technischen Geräte ausprobieren!
Der Gedanke daran machte ihr zwar Kopfschmerzen, aber das war es wert.
„Wir sind angekommen, du Träumerin!“, rief Sanova fröhlich.
Er war wohl nicht mehr sauer wegen eben.
Widerstrebend stieg Clarissa von der Schwebeplatte und wurde von einem Roboter begrüßt: „Seid gegrüßt, Neffe und Großnichte von Gertrudus. Wenn ich Sie freundlichst bitten dürfte, mir ihre Jacken zu geben?“
Während Clarissa und Sanova die Jacken auszogen, kam ein anderer Roboter und bot ihnen schon vor der Tür etwas zu trinken an, was beide dankend ablehnten.
„Toll, diese Technik, oder?“
Clarissa antwortete nicht.
Sie war viel zu sehr in Gedanken.
Als sie ins Haus eintraten, begrüßte sie – erschreckenderweise – Onkel Gertrudus als Roboter.
„Guten Tag, Sanova. Hallo, Clarissa! Schön, dass ihr da seid. Leider bin ich vorgestern von den Lebenden gegangen, aber stört euch daran nicht, denn ich habe diesen Roboter wie meinen Körper programmiert.“
„Aber Papa…“, Clarissa war kreidebleich.
Es fehlte jetzt nur noch, dass Gertrudus Körper in diesem Haus lag und sie anlächelte.
„Maus, das ist doch wunderbar! Jetzt können wir viel öfter herkommen.“
Clarissa war geschockt. Was hatte ihr Vater gerade gesagt?! So abgestumpft war diese Welt also schon. Dass sie „wunderbar“ zum Tod eines Menschen sagten. Dadurch wurde Clarissa nur noch mehr angestachelt, ihre Gabe zu finden.
Da ertönte Gertrudus monotone Stimme wieder: „Probiert gerne meine Sachen aus! Mein Haus steht euch komplett zur Verfügung.“
Das ließ Clarissa sich nicht zweimal sagen.
Sofort sprintete sie die Treppe hinauf und lief in das erstbeste Zimmer.
Hier stand ein großes, rechteckiges Ding, das Clarissa nicht genau definieren konnte. „Das ist ein virtuelles Land. Stelle dich hinein und du wirst ins 4. Jahrtausend katapultiert.“
Clarissa erschrak, als plötzlich Gertrudus blasses Gesicht imn Türrahmen erschien.
„Na gut, ich werde es mal ausprobieren, aber wenn ich STOPP sage, hörst du sofort auf!“ Mit diesen Worten stieg sie in die Kapsel.
Sofort sah sie ein Bild.
Viele Kästchen, auf denen Zahlen standen. Ein Haus brannte. Viele Kinder schrien. Aber es war kein richtiges Schreien, sondern eher ein roboterartiges.
„STOPP!“, rief sie voller Panik.
„Steig einfach aus der Kapsel, dann hört das Bild auf“, sagte Gertrudus.
Aber Clarissa fand keine Tür.
Plötzlich fingen die Bilder an, sich zu drehen.
Clarissa stand der kalte Schweiß auf der Stirn.
Auf einmal wurden auch die Stimmen lauter. Das Schreien der Kinder. Das Kreischen der Mütter. Das letzte was Clarissa sah, bevor sie den Ausgang fand, war ein Aufblitzen von einem brennenden Nonnenwerth.
„Hilfe! Was war das denn?“
Clarissa atmete schnell. Ihr war übel.
„Das, liebes Kind, wird das übernächste Jahrhundert sein, wenn kein Retter, der die Gabe hat, Technik und Nonnenwerth verbindet.“
‚Ich‘, dachte Clarissa, sprach es aber nicht aus.
Sie war immer noch im Schockzustand, selbst als sie wieder auf der Schwebeplatte saßen.
Diese Bilder waren das Schlimmste, was Clarissa in ihrem ganzen Leben gesehen hatte.
Zuhause aß sie erstmal eine Proteintablette.
Immer nur Tabletten. Manche mit Kuchengeschmack, manchmal aber auch einfach nur ein paar Vitamine. Die Menschen hatten sich daran gewöhnt, denn sie hatten seit mehr als zwanzig Jahren nichts anderes gegessen.
Nachdem sie die Tablette verspeist hatte, rief sie ihrem Vater zu: „Papa? Ich gehe nochmal zu Gertrudus, okay? Ich nehme auch dein Robo-Bike, wenn du mir den Sattel niedriger stellst.“
Ihr Vater schaute sie mit einer Mischung aus Verblüffung und Freude an.
„Aber sicher, Schatz. Vielleicht findest du ja doch noch Spaß an den neumodischen Geräten. Das wäre schön.“
Clarissa dachte zwar: Nein, Papa. Das wird niemals passieren.
Aber sie nickte nur und schwang sich auf das Robo-Bike.
Nach wenigen Metern ertönte eine Stimme: „Wenn möglich, bitte umdrehen.“
Das Robo-Bike wollte wohl in eine andere Richtung als sie, denn auch das Treten fiel Clarissa immer schwerer.
„Wie kann man denn bei diesem blöden Ding ein anderes Ziel einstellen?“, schimpfte Clarissa vor sich her, während sie ungeschickt an einer Tastatur herumfingerte. Endlich hatte sie das richtige Ziel eingestellt und das Treten ging leichter, ein bisschen zu leicht, denn auf einmal schoss Clarissa los, dass ihr Hören und Sehen verging.
Nach drei Minuten stand sie schweißgebadet vor Onkel Gertrudus Haus und öffnete die Tür.
Onkel Gertrudus schien wohl nicht zuhause zu sein, sonst hätte Clarissa schon das metallische Quietschen seines Roboter-Körpers gehört.
Sie stieg sofort die Treppe hinauf und ging schnellen Schrittes an dem Raum mit der unheimlichen Kapsel vorbei.
Sie schaute in alle Räume, aber nichts fand sie auch nur annähernd interessant. Doch im letzten Raum stand ein Apparat, der ein bisschen aussah wie ein Teleskop. Sie ging näher heran und strich mit ihrer Handfläche über das silbrig glitzernde Metall. Es war von Staub überzogen, aber Clarissa spürte, dass es gut war.
„Das gefällt dir also, was?“, sagte Onkel Gertrudus, worauf Clarissa so zusammenzuckte, dass sie einen Stuhl umwarf.
„Onkel Gertrudus! Musst du mich so erschrecken?“
Doch, ohne eine Antwort abzuwarten, fragte sie: „Was ist das?“
„Ach das…, das ist ein Gaben-Teleskop. Nur leider funktioniert es nur bei dem, der eine Gabe besitzt. Wenn jemand eine Gabe hat und hindurchschaut, wird seine Zukunft gezeigt. Aber gib dir keine Mühe. Falls man hindurchschauen kann, wird man berühmt. Ach, wäre das schön… Willst du es einmal probieren?“
Auf einmal war Clarissa sehr aufgeregt. Würde sie ihre Gabe jetzt entdecken?
„Ja, bitte“, antwortete sie mit roten Wangen.
„Aber sei nicht zu enttäuscht.“ Mit diesen Worten drückte er auf einen Knopf und bedeutete Clarissa mit einem Kopfnicken, jetzt hindurchzuschauen. Genau jetzt! Clarissa konnte sich gerade noch zurückhalten, laut loszuschreien.
Sie sah etwas.
Nicht nur etwas.
Sie sah alles!
Auf einmal war ihr alles klar.
„Und, siehst du etwas?“, riss Gertrudus sie aus ihrem Tagtraum.
„Ja, ich sehe…“, Clarissa dachte nach. War es wirklich schön, berühmt zu werden? Ihre Freiheit einfach ziehen zu lassen und nur noch herumzureisen?
„…leider rein gar nichts.“
„Das war klar. So, ich muss jetzt los. Soll ich dich mit in die Stadt nehmen?“
„Nein, ich bin mit dem Rad da.“
Zehn Minuten später schoss sie um die Häuserecken und vollendete dabei in Gedanken ihren Plan.
Als sie zuhause ankam, stand ihr Vater im Garten und redete mit ihrer Nachbarin.
Er schien in heller Aufregung zu sein: „Wissen sie was, Frau Anova? Gerade eben wollte ich einkaufen gehen, aber der Laden war geschlossen, obwohl an der Tür stand, dass er noch über zwei Stunden geöffnet sein sollte. Natürlich rief ich direkt bei der Stadtverwaltung an und die sagten mir, wissen Sie, was die mir sagten? Die Leute hätten heute keine Lust auf Arbeiten. Können Sie sich das vorstellen?“ Während auch die Nachbarin anfing, laut herumzuschimpfen, murmelte Clarissa nur „Das wird sich bald ändern“ und schlüpfte ins Haus.
Im Wohnzimmer fiel ihr Blick auf die Tageszeitung.
‚Nonnenwerth in Gefahr. Schulinsel erhält Bombendrohung!‘
Clarissa stockte der Atem.
Nun musste sie schnell handeln.
Übermorgen sollten die Flugzeuge kommen. Die, die die Bomben auf ihren Lieblingsplatz werfen sollten.
Das durfte nicht sein.
Clarissa nahm die Zeitung und sprang die Treppen zu ihrem Zimmer empor. Dort setzte sie sich an ihrem Schreibtisch und vervollständigte ihren Plan.
Plan: Nonnenwerth (ihr war kein besserer Name eingefallen)
Nach Prophezeiung suchen (Geburtstag feiern kam nun an anderer Stelle)
Lesen und Verstehen (Verstehen war der wichtigste Teil)
Dafür sorgen, dass in alle Menschen wieder Lebenslust fährt (zwischen Technik und träumerischen Dingen)
Ein „Volk“ aufbauen
Mit ihnen die Bombendrohung abwehren
MÖGLICHST SCHNELL!!!!!!!!!!!!!!!
Clarissa hatte durch das Teleskop gesehen, dass eine aufgeweckte Republik die Bomben abwehren kann.
Und sie.
Sie würde ihre Kraft nutzen.
Dessen war sie sich ganz sicher.
Clarissa rannte die Treppe hinab und stürmte aus dem Haus.
Sie wusste nicht, wer sich mehr erschreckte: Juna oder sie.
Auf jeden Fall zuckten beide ziemlich zusammen.
„Clarissa, wieso rennst du so? Ist alles in Ordnung?“
„Jaja. Ich habe mich nur ziemlich erschrocken.“
Eigentlich erzählte Clarissa Juna alles, doch diesmal hatte sie das Gefühl, dass es nicht richtig wäre, es ihr zu erzählen. Juna würde es schon früh genug erfahren.
„Ich muss jetzt los. Bis dann!“
Mit diesen Worten rannte Clarissa los und war verschwunden.
Als sie das alte Gebäude betrat, fühlte sie sich so frei, dass sie gerne einfach durch die leeren Gänge gelaufen wäre. Den ganzen Tag.
Aber dazu war keine Zeit.
Zielstrebig lief sie auf die große Eichentür zu und drückte so leise die Klinke hinunter, als wäre im Gebäude noch jemand außer ihr.
In dem Gang, in dem sie sich jetzt befand, war sie noch nie gewesen. Es roch nach Holz und Clarissa atmete tief ein. Doch für gute Gerüche und dergleichen war keine Zeit. Sie wusste welche Tür sie nehmen musste, die kleine, schwarze, und wo der Schlüssel zum Geheimfach war. Nämlich in einem Kästchen, das einen blauen Glanz ausstrahlte.
‚Wie praktisch doch diese Teleskope sind‘, dachte sie, als sie in ein Loch unter den Eichenbrettern griff und eine fast auseinanderbröselnde Schriftrolle herausnahm. Ehrfürchtig breitete sie das Stück Papier aus und las laut, da es, wie sie meinte, spannender war: „Finder, der du das liest. Wenn sich Unheil braut über Nonnenwerth zusammen, wenn ein Kind die Gabe findet, wandelt sie Gestalten, lässt das blaue Licht aufleuchten, bringt neues Leben in die Welt.“
Clarissa schwirrte der Kopf.
Sie dachte, dass sie die Prophezeiung direkt verstehen würde.
Aber sie verstand nicht einmal die Hälfte.
Sie kam und kam nicht darauf, was damit gemeint war.
Auch der Stein in der Kapelle konnte ihr heute nicht helfen.
Sie fühlte sich verloren. Sie war so kurz vor dem Ziel und nun verstand sie es nicht. War sie einfach zu dumm?
Als sie nach Hause kam, regte sich ihr Vater schon wieder auf. Doch diesmal war keine Nachbarin da, die ihr ein Gespräch mit ihrem Vater abnehmen konnte. „Clarissa! Kannst du es glauben? Mary-Ann Meyer tritt zurück. Die beste Bundeskanzlerin, die wir je hatten. Sie tritt zurück! Rob, mach mir einen Kaffee mit Beruhigungsmitteln.“
Sofort ging der kleine Roboter, Sanovas neueste Anschaffung, in die Küche, drückte einen kleinen, gelben Knopf und rührte dem Kaffee Beruhigungsmittel unter. Während der Unterhaltung hatte Clarissa nur gelangweilt zugehört.
Natürlich ist die Kanzlerin zurückgetreten. Sie war eine Träumerin, doch das wusste keiner. Klar, dass sie mit den neumodischen Geräten irgendwann nicht mehr klarkam.
Inzwischen war Rob fertig und brachte ihrem Vater mit einem monotonen „Bitte sehr. Lassen Sie sich ihr Heißgetränk schmecken“ den Kaffee.
„Danke! Clarissa, überall gibt es Wandel. Die Menschen wandeln ihre Gestalten.“ Clarissa wurde schwindelig.
Jetzt wusste sie, was zu tun war.
Sie würde sich tarnen.
Das konnte sie. Das spürte sie.
Carissa hätte sich vor zwei Tagen noch nicht vorstellen können, dass sie es einmal eilig hatte, zu Gertrudus zu kommen. Aber ihre wirren Gefühle sagten ihr die ganze Zeit das Richtige. Nämlich, dass sie in Gertrudus Haus ihre Gestalt wandeln konnte. Irgendeine Technik gab es dort bestimmt.
Als sie die Tür öffnete, war im Wohnzimmer schon wieder niemand zu sehen, doch diesmal schaute Clarissa erstmal in allen Räumen, um sicher zu gehen, dass er sie nicht noch einmal so erschreckte.
Doch heute schien er tatsächlich auszubleiben.
So schoss Clarissa in den Raum hinten links und fand sich wieder in dem Raum mit dem komischen Mikroskop.
Ohne zu zögern warf sie einen Blick hinein, aber diesmal konnte sie nur milchigen Nebel erkennen.
Doch was war das?
Ein ganz kurzes Aufblinken von einem dunklen, ihr in irgendeiner Form bekannten Raum.
Nun wusste sie es!
Nonnenwerth!
Es war die kleine Kapelle!
Clarissa wollte gerade losstürmen, als ihr Handy klingelte. Diesmal war es nicht ihr Vater, sondern Juna.
„Hi Juna. Gibt’s irgendwas Wichtiges? Ich bin nämlich in Eile.“
Juna antwortete durch den Hörer: „Ich wollte dich nur fragen, ob du deine Bettdecke mitbringen kannst, für unseren BFF-Abend.“
Mist, der BFF-Abend. Darauf hat sich Juna schon seit Wochen gefreut.
„Ich, äh…“
„Du hast ihn doch nicht etwa vergessen?“
Clarissa merkte an Junas Stimme, dass sie den Tränen nah war.
Jetzt merkte Clarissa erst, wie wenig Zeit sie in den letzten Tagen mit ihrer besten und einzigen Freundin verbracht hatte.
Aber der Schutz der Insel war wichtiger.
„Vergessen? Nein. Mir ist nur etwas dazwischengekommen. Aber sei bitte, bitte nicht traurig. Wir holen das nach. Versprochen!“
Clarissa befürchtete eine weinerliche, verletzte Antwort, doch Juna legte mit einem verächtlichen „Dann halt nicht“ auf.
Nun rannte Clarissa los. Unten nahm sie sich die erstbeste Schwebeplatte und düste los.
Auf Nonnenwerth angekommen stellte sie die Schwebeplatte an den Eingang und suchte in der Kapelle krampfhaft nach dem Etwas, das sie suchte. Und plötzlich hatte sie es in den Händen.
Es war der Stein.
Doch diesmal sah er anders aus. Er sandte blaues Licht aus. Wie aus dem Nichts schoss ein Messer direkt auf sie zu. In einer Abwehrbewegung hielt Clarissa die Hand mit dem Stein nach oben und ein flackernder, blauer Lichtschein umgab sie. Das Messer prallte daran ab, wie an einer Mauer.
„Ihr könnt herauskommen, Schwestern. Sie ist es! Die Retterin hat zu uns gefunden.“ Aus dem fahlen Licht, das der Stein aussandte, konnte man nicht viel erkennen.
„Wer ist da?“, fragte Clarissa mit wackeliger, zittriger Stimme.
„Keine Angst. Hier sind Schwester Agathe und die anderen.“
Clarissa ließ ihre Hand sinken und augenblicklich erlosch der blaue Lichtschein. „Lass uns hinausgehen, Clarissa. Nimm bitte den blauen Orid mit“, sagte Schwester Agathe.
,Der blaue Dingsbums ist wohl der Stein‘, dachte sie.
An der frischen Luft fing Agathe wieder an zu erzählen: „Du bist es. Du bist unsere Retterin. Du wirst die Bombenangriffe verteidigen. Du wirst den Menschen den Mittelweg zeigen. Du wirst dazu den Stein brauchen, denn nur der Zusammenhalt sehr, sehr vieler Menschen wirkt wie ein riesiges Schutzschild.”
„Okay“, sagte Clarissa, die halb verwundert, halb nachdenklich war.
Sie wusste jetzt zwar, was das blaue Licht war und wie man es kontrollierte, aber wie sollte sie an einem Tag, der ihr noch blieb, mehr als 80 Millionen Menschen genau hierher bringen?
„Wie soll ich das anstellen? 80 Millionen Menschen kommen doch nicht einfach hier hin, nur weil ich sage: Kommt bitte her!“
Doch noch bevor Agatha antworten konnte, fiel es Clarissa wie Schuppen von den Augen.
Natürlich, Mary-Ann Meyer.
Wenn sie sagte, dass alle Menschen kommen müssen, kommen sie sicher alle. „Vielen Dank. Ich muss jetzt los!“
Während des Laufens checkte sie Mrs. Meyers Adresse.
200 km von hier. Das würde dauern.
Zum Glück hatte sie die Schwebeplatte. Als sie in der Frankenbergstr. 28 anhielt, dämmerte es schon.
Zwei Stunden! Eine Rekordzeit!
Sie klingelte, und als ihr eine ältere Frau öffnete, atmete sie erleichtert aus!
„Guten Tag, Fräulein. Was wünschen Sie?“
„Sind sie Mrs. Meyer?“
„Ich denke.“
„Frau Meyer, ich weiß, dass sie im Moment bestimmt keine Besuche wollen, aber lassen sie mich kurz hinein. Es ist wirklich wichtig!“
Mit einem genervten Kopfnicken winkte sie sie hinein.
Das Haus war groß, alt und sehr spießig eingerichtet. Trotzdem mochte Clarissa es. Es war schließlich das Haus einer Träumerin.
„Na dann, erzähl doch mal deine superwichtige Geschichte, mit der du mir meinen Nachmittag stiehlst“, sagte Mrs. Meyer, als beide am Tisch saßen.
„Es tut mir wirklich leid, aber es geht um das wichtigste, was ich auf dieser Welt nur habe. Nonnenwerth! Sie kennen die Schule für Träumer bestimmt, oder?“
Frau Meyer nickte.
„Also, morgen sollen Bomben auf Nonnenwerth fallen und es zerstören, doch ich weiß, wie man die Insel retten kann. Nur dafür brauchen wir alle Menschen in unserem Land. Wenn ich einen Aufruf starte, denken doch alle, dass ich einen blöden Streich mache. Aber wenn Sie es machen würden, kommen sie bestimmt alle! Bitte machen Sie mit!“
Clarissa sah sie flehend an.
Die ältere Dame überlegte kurz und nickte langsam.
„Gut, ich mache mit. Wann soll´s losgehen?“
Clarissa atmete erleichtert auf. Sie hatte es geschafft.
Aber der schwierigste Teil kam erst noch. Sie mussten einen Reporter finden, der die wichtige Nachricht am besten ins Internet, Fernsehen, Gedanken-News und Radio stellt.
Und auf einmal fiel Clarissa der beste Reporter der ganzen Welt ein, dem sie die Geschichte ihrer Gabe auch noch erzählen musste: Sanova!
Wenig später standen beide vor einem sehr überwältigten Sanova, der sich mit vielen „OHHHH“s und „Ach, Clarissa“s die Geschichte anhörte.
Gleich danach filmte er Mrs. Meyer, weil diese ja den Aufruf startete.
An diesem Abend ging Clarissa spät ins Bett, da Frau Meyer und sie alle fünf Minuten die Kommentare des Videos analysierten.
Nun war Clarissa sicher: Es würden wirklich alle, alle kommen!
Bevor sie einschlief, ging Clarissa nochmal den morgigen Tag durch. Es war alles bis ins Detail geplant. Und der Plan wartete nur darauf, morgen ausgeführt zu werden.
„Schätzchen! Es ist halb sieben und du musst unbedingt mal dieses Video hier sehen.“
Sanova hielt Clarissa seinen Gedanken-News-Übertragungs-Dingsda hin, wie Clarissa es immer nannte und sie öffnete schlaftrunken die Augen.
Sie sah Millionen von Menschen auf den Straßen, die alle in Richtung Nonnenwerth eilten.
Alte Menschen, junge Menschen.
Einfach alle!
Dort waren sogar Lisa & Lena, die vor vielen Jahren mal mit der App „Musical.ly“ berühmt geworden waren.
Auf einmal war Clarissa hellwach.
Sie sprang auf, gab Sanova einen Kuss auf die Stirn, nahm den Stein und raste nach unten. Dort biss sie einmal in ein Brot und rannte aus dem Haus in Richtung Nonnenwerth.
Als sie dort ankam, war sie jedoch geschockt.
Rund um die Brücke standen abertausende Menschen.
Wie sollte sie denn da durchkommen?
„Clarissa, komm hier entlang!“
Schwester Agatha tippte ihr auf den Rücken und zog sie in eine kleine Gasse. Dort schaukelte in einem Rheinarm ein Ruderboot.
Schwester Agatha setzte sich hinein und auch Clarissa stieg in das schaukelnde Boot.
„Es ist so toll, dass alle gekommen sind“, sagte Clarissa, als Agatha anfing zu rudern. „Ich weiß, Clarissa. Es wird alles gut werden. Du hast jetzt noch ungefähr eine Stunde. Das wird reichen, um die Menschen zu informieren.“
Doch plötzlich verdunkelte sich der Himmel und man hörte ein fernes Propellergeräusch.
Clarissa stockte der Atem.
Sie kamen!
So schnell wie möglich öffnete sie die Tore und ließ die Leute hinein.
Jetzt mussten sie improvisieren.
Die Hubschrauber waren direkt über ihnen.
Clarissa spürte die Energie des Steins in ihrer Hand, sah das blaue Licht und hörte so viele aufgeregte Stimmen.
Doch der Lichtstrahl wurde nicht groß. Es funktionierte nicht.
Was passierte jetzt?
Was hatte sie falsch gemacht?
In Clarissa stieg Panik auf.
Wenn es jetzt nicht funktionierte, hätte sie ein ganzes Land ausgerottet!
Auf einmal war Clarissas Panik verschwunden. Sie spürte Junas gleichmäßigen Atem hinter ihr und fühlte die Hand, die nach ihrer griff.
Sie lächelte Juna an und die lächelte zurück.
Nun wurde der blaue Strahl größer.
Clarissa nahm ein Mädchen an die Hand, dass seine Mutter an die Hand nahm. Die Mutter dann den Vater und der Vater eine völlig fremde Person.
Das Licht war nun so hell, dass es blendete.
Clarissa war wie in einem Rausch.
Die Menschen lachten und waren das erste Mal seit einer Ewigkeit wieder eine Gemeinschaft.
Das Einzige, was Clarissa wahrnahm, war ein metallisches Knirschen und eine schwarze Bombe, die aus einer Klappe fiel.
Doch sie schlug nicht auf und explodierte nicht.
Die Gemeinschaft hatte sie gerettet.
Die Bombe drehte ab und der Helikopter flog mit hoher Geschwindigkeit davon.
Jetzt strahlten die Menschen und umarmten sich, auch wenn sie sich gar nicht kannten und Clarissa weinte vor Glück.
Sie hatte die Prophezeiung erfüllt und dabei die Menschen sehr glücklich gemacht.
Es wurde noch bis in die Nacht gefeiert und Clarissa und Mrs. Meyer hielten Reden und um vier Uhr in der Nacht lag Clarissa endlich im Bett und schlief mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein.
Am nächsten Tag stand Clarissa erst um 12.00 Uhr auf.
Als sie auf den elektrischen Kalender guckte, musste sie vor Begeisterung lachen. Es war Samstag, der 15. Mai 2050!
Und anders, als andere Kinder, war Clarissa froh, erst in einem Jahr wieder Geburtstag zu haben.
Clarissa dachte nach.
Warum ging sie eigentlich noch zur Schule?
Es gab doch eigentlich viel einfachere Lern-Methoden aus dem Labor, als den ganzen Tag in einem stickigen Klassenraum zu sitzen.
Sie waren zwar teuer, aber es gab sie.
Aber nein, es war natürlich besser, die kleine, freche, 15-jährige Clarissa auf eine Mädchenschule auf einer kleinen Insel in dem Fluss Rhein zu schicken.
Clarissa guckte auf die Uhr. 05:24. Noch sechs Minuten, bevor sie aus dem Bett geworfen würde. Wortwörtlich geworfen.
Na gut, es hatte keinen Sinn, noch länger im Bett rumzuliegen und über die schlechte Seite des Lebens nachzudenken. Ein paar Minuten später stand sie schon im Badezimmer und bürstete sich die verfilzten, braunen Haare. Sie wusste ganz genau, was kommen würde, wenn sie jetzt nach unten gehen würde.
Es war doch jeden Tag dasselbe:
Clarissa steht viel zu früh auf, geht die Treppe hinunter, wird von ihrem Hund begrüßt. Später fliegt sie dann mit ihrem Hoverboard zur Schule (wieder viel zu früh). Angekommen musste jeder an der großen Glaskuppel eine Art Test machen. Hände auf eine der vielen eingearbeiteten Metallklappen legen. Vier Sekunden liegen und scannen lassen. Nach kurzer Zeit öffnet sich dann eine Luke und man wird eingelassen.
Drinnen war es noch relativ leer. Vermutlich lag noch die Hälfte der 900 Schüler zuhause im Bett.
Wahrscheinlich schwänzten sogar ein paar Schüler die Schule.
Kein Wunder, in der ersten Stunde hatte Clarissas Stufe Handwerkslehre bei Mistress Diamond. Sie machte sich lieber auf den Weg, sie wollte keinen Ärger bekommen, weil sie mal wieder zu spät kam. Den Weg kannte sie immerhin auswendig. Links den Gang entlang, rechts, wieder rechts, links die dritte Öffnung. Mistress Diamond wartete bereits.
Clarissa erblickte aus den Augenwinkeln ihre Freundin Klaudia. Wie gewöhnlich saß sie schon in dem fast leeren Klassenraum und lernte, doch als Clarissa den Klassenraum betrat, hob sie den Kopf.
Die beiden Freundinnen brauchten sich nicht mehr abzusprechen. Clarissa stellte ihre Tasche mit dem Laptop ab und eilte mit ihrer Freundin nach draußen.
Als sie sieben Jahre alt waren, wurden sie beide am Gehirn operiert und ihre Gedanken verbunden. Am Anfang hatten es beide gehasst, doch nach einer gewissen Zeit haben beide gelernt, ihre Gedanken zu bündeln. Klaudias Gedanken galten im Moment natürlich wieder ihrem Haustier, dem Minnie-Panda Poppy:
‚He, Klaudia. Wollen wir später zusammen mit Zatura und Josy zum Lernen für die Astrologiearbeit ins Observatorium zu Mistress Tiermann?‘
‚Ok, guck mal dahinten kommen Zatura und Josy! Und wir müssen auch langsam wieder in den Unterricht. Let´s go.‘
Der Unterricht war so langweilig.
Es war inzwischen die dritte Stunde und Clarissa saß verschwitzt mit Zatura in einem dovoo, einem Fluggerät. Es gehörte hier dazu, so etwas fliegen zu können.
„Rechts, links, nach oben!“, rief Mr. Magifiqu, aber Clarissa hörte gar nicht mehr richtig zu. Noch vier Jahre und fünf Stunden und sie war den Schulstress los.
Zum Glück wurden die Moralpredigten von Mr. Magifiqu durch das Läuten der Schulglocken unterbrochen.
Clarissa rieb sich die Hände aus Vorfreude auf die nächste Stunde. Latein.
Test.
Gedankensprache mit Klaudia.
Schweigend betraten die vier Freundinnen den Klassenraum. Mistress Diamond war schon da.
Wie sie diese Lehrerin hasste!
Klaudia schien ihren Gedanken gehört zu haben und schaute Clarissa entgeistert an.
„Machen wir gleich Gedankensprache?“, fragte sie nur.
„´türlich“, antwortete sie.
Genau sechs Minuten später saßen alle der 37 Schüler aus der Latein-Klasse an der LPLÜ (LearnPad-Lern-Überprüfung) und grübelten.
‚He, Clarissa, was bedeutet noch einmal arcessere? Ernähren?‘
Clarissa musste gucken, dass sie nicht anfing zu lachen.
‚Nein, du Dödel, das war alere. Arcessere bedeutet doch holen.‘
So war das meistens bei den LPLÜs.
Klaudia weiß eine Vokabel nicht, Clarissa hilft ihr und andersrum auch. Sie zuckte zusammen, als der grellgrüne „bitte auf das LearnPad des Lehrers laden“-Button erschien.
Zehn Minuten später konnten sie schon ihre Testergebnisse sehen. Clarissa freute sich: 100%!
Es dauerte nur ungefähr zehn Sekunden, bis sich Josy neben Clarissa stellte und etwas laut sagte: „Du hast auch 100%? Gib den 100-%-Check!“
Nun kam auch Zatura dazu: „Hey Leute! Heute haben wir früher Schulschluss. Wollen wir uns später im Sushirestaurant treffen und uns dann einen Mädelsabend machen?“
Die Mädchen willigten alle ein und sie machten aus, nach der Schule direkt mit zu Clarissa zu kommen.
Schon klingelte es zur nächsten Stunde. Endlich mal etwas, worin Clarissa gut ist.
Geschichte.
Im Moment nahmen sie alte Tänze durch und hielten Vorträge.
Clarissa arbeitete natürlich mit Zatura, Josy und Klaudia zusammen über Ballett.
Eine der schönsten Tanzarten, fand sie.
Clarissa erwachte aus ihren Tagträumen, als Mrs. Trudeldorf sie und ihre Gruppe aufrief.
Es dauerte nicht lange, bis alles ins LearnPad eingegeben war und der Vortrag in der Luft erschien und Klassische Musik anfing.
Die Computerstimme sagte: „Ballett war eine wunderschöne Tanzart, die früher…“
Nach einer halben Stunde war der Vortrag vorbei und die Musik setzte wieder ein.
Nun hatten sie nur noch eine Stunde Unterricht, bis sie ihren Mädchenabend starten konnten.
Klaudia meldete sich schon: „Hey Clarissa, sage nach der Schule noch schnell meinem Hausroboter Bescheid, dass er mir noch schnell Zaturas, Josys und mein Zeugs zu dir bringen soll. Hole noch Fruchtshakes und Knabberzeugs.“
Später saßen sie alle schon bei Clarissa zuhause auf den angenehmen Sitzmatten und aßen Sushi.
Clarissa bewohnte die oberste Etage des Hochhauses, das ihr Vater als bekannter Architekt ums Jahr 2045 gebaut hatte.
Bei der Familie hatte sie Glück gehabt.
Jetzt wollte Clarissa aber nicht zu viel nachdenken und erst einmal einen schönen Abend mit ihren Freundinnen verbringen.
Am nächsten Morgen wurden die Freundinnen von dem schwebenden Multifunktions-Hausroboter geweckt.
„Aufwachen. Zeit: 8.43.“
Clarissa raffte sich auf. Als sie aus ihrem Panoramafenster sah, erblickte sie ihren großen Bruder Spice, wie er den letzten Schnee des Winters in den Stromgenerator des Hauses schippte.
Er musste trotz Wochenende um sechs Uhr aufgestanden sein, um die Massen von Schnee weg zu schippen.
Hauptsache, Clarissa musste sich nicht so früh aus dem Bett zwingen. Sie wandte sich wieder der Gegenwart zu.
„Hey, Zatura. Wie lange kannst du noch bleiben?“, fragte Clarissa ihre Freundin. Auch sie hatte sich bereits umgezogen.
„Muss um 15 Uhr zuhause sein“, antwortete die. War mal wieder klar. Zatura musste immer pünktlich zuhause sein und eine halbe Stunde früher losfahren, um zehn Minuten zu früh da zu sein.
Nun erhoben sich auch Klaudia und Josy von ihren Schlafplätzen. Sie musste sich daran erinnern, wie sie, als sie noch kleiner waren, mit ihren Freundinnen den Geschichten ihrer Mutter zugehört hatten.
Geschichten über ferne Länder und Seemonster.
Aber am liebsten mochte sie die Geschichten über die besonderen Kinder. Kinder die fliegen konnten, Kinder die heilen konnten und sogar Kinder, die unverwundbar waren. Diese Gaben wären im dritten Weltkrieg nützlich gewesen, doch angeblich wurde der ja ausgelöst, um Menschen mit Gaben auszurotten.
Später, nachdem Zatura und Josy gegangen waren, spielten Klaudia und Clarissa in der Sportetage des Hochhauses noch Hoverboard-Volleyball. Am Ende des Tages stand es drei zu null für Clarissa.
Volleyball war noch nie Klaudias Stärke. Nach ein paar Stunden musste auch Klaudia gehen.
Clarissa ging ohne Abendessen ins Bett und schlief fast sofort ein.
„PIEP PIEP“, ertönte es.
Clarissa stöhnte.
Das war nicht der Hausroboter, das war Spice, der sie weckte. Jedenfalls wirkte es sehr gut.
Clarissa setzte sich auf.
„Mister Bruderherz, haben Sie nicht etwas Besseres zu tun, als mich an diesem wunderschönen Morgen zu wecken?“
Spice lachte.
„Komm! Wach auf. Mama und Papa sind schon weg. Ich mache Frühstück.“
Clarissa raffte sich auf und watschelte ins Bad, wo sie sich erst einmal abduschte und ihre schwere Feiertagskleidung anlegte. Schwerer roter Samt.
Wenige Minuten später ging sie die vielen Treppen runter bis in den fünften Stock, wo es bereits verführerisch duftete. Das Frühstück schmeckte so gut, wie es roch und bald waren die Teller der Beiden schon leer gegessen.
„Und, hast du heute noch etwas vor?“, fragte Spice mit vollem Mund.
„Ja, wollte heute mit Stacy und Klaudia shoppen gehen“, antwortete Clarissa nur.
Stacy kannte sie schon seit dem Kindergarten und war mit ihr mindestens genauso gut befreundet wie mit Klaudia.
Eine Stunde später standen die drei Freundinnen schon auf ihren Hoverboards und flogen in Richtung NEU-BONN, wo es die neusten Geschäfte gab.
Nur der Nachteil war, dass sie dabei einen Umweg über die Nordspitze machen mussten, da Stacys Eltern ihrer Tochter verboten hatten, über die Stelle zu fliegen, an der angeblich immer noch aktive Bomben lagen. Na gut, ein bisschen frische Luft war ja für jeden gut.
Nun flogen sie über die Nordspitze.
Was war das?
Clarissa konnte ihren Augen nicht trauen.
Es waren Personen auf der Nordspitze, zwei um genau zu sein.
Das war ja schon verboten, aber noch schlimmer: Eine dieser Personen war ihr Vater.
Nein, das konnte nicht sein, das durfte nicht sein!
Clarissa bog schnell ab und flog im Sturzflug auf die Nordspitze.
Sie konnte noch Rufe von Klaudia und Stacy hören.
„Liss! Was machst du denn…?“
Den Rest hörte sie nicht mehr.
Sie war zu frustriert.
Nun war sie nur noch wenige Meter vom Boden entfernt. Die beiden Personen schienen sie bereits bemerkt zu haben, denn sie versuchten schnell einige Pakete wegzupacken.
Noch bevor sie auf dem Boden angekommen war, sprang Clarissa vom Hoverboard und stürmte auf ihren Vater zu.
„Was machst du hier? Und warum …“
Clarissa war plötzlich den Tränen nahe.
Ihr Vater, ihr eigener Vater hatte sie betrogen.
Doch dann nahm der gewaltige Ball Wut, der plötzlich in ihr aufstieg überhand.
Sie nahm alle ihre Kraft zusammen und ohrfeigte ihren Vater kräftig, bevor sie wieder auf ihr Hoverboard sprang und wieder zu ihren Freundinnen in den Himmel flog.
„Was war denn das?“, fragten sie.
Clarissa presste nur ein kurzes „lasst uns weiterfliegen“ hervor.
Das Shoppen in NEU-BONN lenkte Clarissa wenigstens ein wenig von dem Erlebnis mit ihrem Vater ab. Sie und ihre Freundinnen machten sich einen schönen Tag.
Später, als Clarissa zu Hause war, stürmte sie nach oben in ihre Etage, schmiss sich auf ihr Bett und weinte. Sie weinte so sehr, dass sie gar nicht merkte, dass Spice ins Zimmer gekommen war.
„Hey, Schwesterherz, es gibt Essen“, rief er hochfröhlich, aber brach ab, als er sah, dass Clarissa weinte.
„Was ist denn los?“, fragte er.
Clarissa schniefte bloß: „Hab kein Hunger.“
Spice schien zu merken, dass es Clarissa nicht gut ging und verließ das Zimmer. Clarissa hörte nur noch seine Schritte, als er die Treppe hinunter ging.
Um auf weitere Geräusche zu hören, war Clarissa zu deprimiert. Nach weniger Zeit schlief Clarissa ein. Sie fiel in einen unruhigen Schlaf.
Clarissa wachte schweißgebadet auf. Nun merkte sie erst, wie viel Hunger sie hatte. Sie stieg aus dem Bett und fuhr mit dem Aufzug in die Küche. Gerade als sie sich die Suppe vom vergangenen Tag warm machen sollte, hörte sie eine Stimme.
Die Stimme ihres Vaters.
„Hey Clarissa, wegen heute Mittag, ich möchte dir bitte erklären…“ Clarissa seufzte.
Plötzlich war sie neugierig, was ihr Vater ihr zu sagen hatte.
„Also, fangen wir mal so an, du weißt doch, warum der Dritte Weltkrieg ausgelöst wurde, oder?“
Ja, das wusste Clarissa. Der Dritte Weltkrieg wurde ausgelöst, um besondere Kinder auszulöschen, da sie sich gegen die Kaiser gewendet hatten.
„Ja“, antwortete Clarissa mit zittriger Stimme.
„Gut, also die Sache ist die…“
Clarissa merkte, dass ihr Vater nervös wurde.
„Ich bin ein besonderes Kind, ich altere nicht, ich feiere dieses Jahr meinen 432. Geburtstag.“
Clarissa stockte der Atem.
„Nur deine Mutter weiß bis jetzt davon. Der Mann, mit dem ich auf der Nordspitze war, hat mich erpresst. Er wollte mich an die Kaiser veraten.“ „Dann bist nicht du der Böse?“, fragte die völlig verdutzte Clarissa.
„Nein. Jetzt geh lieber ins Bett, morgen hast du Schule.“
Clarissa folgte diesem Rat und schlief ein.
Am nächsten Tag folgte die gewohnte morgendliche Routine.
Als sie in der Schule ankam, sah sie aufs Schwarze Brett. Heute wurde ein Vortrag in der Großen Halle gehalten.
Wenigstens kein Unterricht.
Als sie in der Großen Halle ankam, suchte sie sich einen Platz weit vorne neben ihren Freundinnen. Als der Redner auf die Bühne trat, konnte Clarissa ihren Augen nicht trauen.
Es war der Mann, der mit ihrem Vater auf der Nordspitze war.
Die erste Stunde verstrich. Nun hatten sie Pause. Alle Kinder strömten nach draußen.
Länger hielt Clarissa das nicht mehr aus. Sie ging zu dem Mann, packte ihn und schüttelte ihn kräftig.
„Warum hast du meinen Vater erpresst?!“, schrie Clarissa.
Nun sammelte sich ein Kreis aus Schülern um sie. Auch Lehrer kamen hinzu.
„Was ist hier los?“, fragte Mr. Manifique.
„Er hat meinen Vater erpresst“, schrie Clarissa.
„Tatsächlich?“, fragte der Lehrer.
Zu Clarissas Überraschung, antwortete der Mann: „Ja, habe ich tatsächlich, wollen sie mich jetzt verhaften?“
„Ja“, antwortete eine Lehrerin.
Clarissa und ihre Mitschüler wurden nach diesem aufregenden Ereignis nach Hause geschickt.
Nun konnte Clarissa endlich ein entspanntes Leben mit ihrer Familie führen. Und wenn es stimmte, dass das Gen der besonderen Kinder weitervererbt wurde, auch ein sehr, sehr langes.
Langsam öffnete ich meine Augen.
Das Licht schien warm durch mein Fenster, es war perfektes Frühlingswetter.
Ich schaute auf meinen Wecker, es war halb sieben, also Zeit zum Aufstehen. Mit einen Seufzer kletterte ich aus meinem Hochbett und zog mich an.
„Clarissa, Frühstück ist fertig!“, rief meine Mutter und ich ging runter. Während ich mir das Müsli in die Schale schüttete, schaute ich aus dem Fenster und sah im Hintergrund die Windräder. Seitdem vorletztes Jahr die nicht erneuerbaren Energieträger abgeschafft wurden, stehen diese Windräder in der Aussicht aus unserem Fenster.
„Clarissa, es ist schon viertel nach sieben! Du musst jetzt los, hoppa!“, meinte mein Vater und ich machte mich grinsend auf den Weg, allerdings nicht ohne über unseren Haushaltsroboter zu stolpern.
Als ich von meinem Fahrrad stieg, sah ich schon von weitem meine beste Freundin Lisa aus dem Elektroauto ihrer Eltern steigen. „Hallöchen, Clarissa!“ rief sie und rannte auf mich zu.
Lachend begrüßte ich sie und zusammen gingen wir in den Unterwassertunnel, der uns zu der Insel Nonnenwerth brachte. Er bestand aus Glas, so konnten wir den Rhein auch unter Wasser erleben. „Heute schreiben wir die Mathearbeit“, meinte Lisa.
Stimmt ja, heute ist der 13.05.2050.
Aber dann fiel mir ein, dass diese über Formeln geht und die hatte ich geübt.
„Mathearbeit! Mathearbeit!“, schrie ein springender Junge aus meiner Klasse, als wir den Raum der 8d betraten.
Lisa fragte mich mit einem entsetztem Gesicht: „Was, wir schreiben in der ersten?! Ich dachte, dass ich noch in der Pause lernen kann!“
„Kein Stress, du hast heute doch auch Cybernagellack drauf, oder?“, meinte ich und Lisa nickte.
„Gut, dann schick ich dir jetzt einfach ein paar Erklärungen“, meinte ich und war schon beim Abschicken.
„Danke“, sagte Lisa erleichtert und ging auf ihre Nägel starrend zum Platz.
„Guten Morgen Kinder!“, rief Frau Schlau und teilte die IPads aus, die wir nur bei Tests und Arbeiten benutzen durften, da es an unserer Schule nicht so viele davon gab.
„Na, wie war´s?“, fragte ich Lisa nach der Arbeit.
„Super! Vielen Dank nochmal für die Erklärungen“, antwortete sie und wir machten uns auf den Weg zu den NAWI Räumen.
In dem tristen und grauen Raum setzten wir uns auf die Stühle und warteten auf Herrn Krom.
Er sah mal wieder ein bisschen ulkig aus, mit seinem Style und seiner Art. „Good morning!“, rief er und es ging ein genervtes Stöhnen durch die Klasse.
„Herr Krom, wir haben Naturwissenschaften“, meinte jemand und Herr Krom antwortete: „Oh, na gut, liebe 5a, dann legen wir mal los“, und schon wieder ging ein Stöhnen durch den Raum, allerdings machte sich diesmal niemand die Mühe, ihn daran zu erinnern, dass wir die 8b waren.
Herr Krom drückte auf den blau schimmernden Knopf neben der Tafel und unser Klassenzimmer verwandelte sich in eine Unterwasserwelt. Meine Mama hatte mir mal erzählt, dass es in ihrer Jugend VR-Brillen gab. So ungefähr ist es jetzt bei uns in der Klasse, nur eben ohne Brillen. „Doktorfische seht ihr rechts und die Clownfische sind links von euch“, meinte Herr Krom und fing an, den Aufbau eines Fisches mit einer Tastatur an das Smartboard zu schreiben.
„Komm, wir müssen nur noch die Bücher in die Bibliothek bringen, dann können wir raus in die Pause“, sagte Lisa fröhlich und wir machten uns auf den Weg.
Als wir in der Bibliothek ankamen, gab es schon eine elend lange Schlange vor der Hightech-Lagerecke.
Früher musste man sich alle Bücher selber kaufen oder ausleihen, heutzutage gab es ein hochmodernes Hochregal. Man musste seinen Namen, den des Fachs und der Klasse sagen und schon lag das entsprechende Buch vor einem.
Und wenn Bücher verschwanden, wusste der Computer ja den Namen des Schülers, und wenn dieser keine glaubwürdige Ausrede parat hatte, musste er es neu kaufen und der Schule übergeben.
Der einzige Haken an dem System war, dass es wie jetzt gerade manchmal ziemlich lange dauerte. So 5-15 Minuten.
Nachdem wir endlich fertig waren, schlenderten wir auf den Schulhof.
„Möchtest du auch ein Twix?“, fragte ich Lisa.
„Nö danke, ich kaufe mir ein Megasusweet“, und sie rannte zu dem Automaten.
Dieses neumodische Saftgetränk ist eine Mischung aus Granatapfel, Himbeere und Mango, das anscheinend wirklich sehr lecker schmeckt. „Hmmm“, machte Lisa und trank direkt noch einen Schluck.
Ich nahm mir vor, in der Mittagspause auch dieses Getränk zu probieren. Wir holten unsere Müslimixer aus der Tasche und drückten auf die pinke Taste. Jetzt mischte sich das Beerenmüsli mit der Milch und nach circa einer Minute konnten wir es genießen.
„Fast so gut wie Megasusweet, schade, dass ich das Letzte hatte.“
Lisa grinste mich an. „Heute Mittag kaufe ich mir das auch, wenn der Automat wieder aufgefüllt ist, Lisa“ sagte ich und sie lachte.
Es klingelte und leider mussten wir wieder nach oben in unseren Klassenraum, doch grade als wir die Treppe betreten wollten, kam uns unsere Deutschlehrerin entgegen und meinte: „Kommt alle mit, heute unterrichten wir draußen!“
Wir folgten ihr. Drei Leute aus unserer Klasse hatten das kabellose Smartboard mit nach draußen genommen, es war zwar nicht so groß wie die Originalen, aber dafür konnte man es eigentlich überallhin mitnehmen.
„So, dann schauen wir mal…“, und Frau Malipusa fing an von Grammatik und ähnlichen Dingen zu reden.
Nach der dritten Stunde gingen wir in die Musikräume, was in meinem Fall der Raum für die Streicher war.
„GUTEN TAG!“, rief Frau Kalser durch den Raum und man merkte mal wieder, dass sie aufgrund ihres Alters nicht mehr so gut hörte. Und nachdem ich meine Bratsche ausgepackt hatte, fingen wir auch schon an zu spielen.
„Na, habt ihr schon das neue Lied angefangen?“, fragte mich Lisa, als sie aus der Sängerklasse kam.
„Ne, aber ganz ehrlich, auf so ein altes Lied wie ‚Shape of you‘ habe ich auch keine große Lust“, antwortete ich und wir gingen zielstrebig auf die Mensa zu.
„Was nimmst du?“, fragte mich Lisa, als wir vor der Essensausgabe standen.
„Die Pfannekuchen, bitte“, und der Roboter schob einen Teller mit zwei Stücken durch die schmale Öffnung.
Nachdem Lisa auch bestellt hatte (natürlich nahm sie das gleiche), holten wir uns Wasser am Spender und setzten uns an einen Tisch der vollen Cafeteria.
Mir fiel gerade ein, dass ich ja noch das „MEGASUSWEET“ probieren wollte.
„Komm Lisa, beeil dich mal, ich muss noch zum Süßigkeitenautomaten“, meinte ich und Lisa stöhnte zwar, aber sie begann dann doch noch, schneller zu essen.
„Was?!“, rief ich und drückte zum gefühlt hundertsten Mal auf die Taste, damit eine Flasche des Softdrinks rauskam, aber vergebens.
„Sind etwa alle weg?“, fragte ich meine beste Freundin überrascht, aber auch sie machte ein ratloses Gesicht.
„Das kann doch nicht wahr sein, sonst wird der Automat doch immer direkt nach der Frühstückspause aufgefüllt“, ich schaute zu Lisa. „Vielleicht hat der Hausmeister es einfach mal vergessen, was natürlich sehr blöd für dich wäre, da du dieses super, extrem leckere Getränk unbedingt mal probiert haben musst!“, meinte diese aber nur, was mich nicht grade aufheiterte.
„Wir können Herrn Maser ja mal fragen.“
„Gute Idee“, meinte ich und genau in diesem Moment kam unser Hausmeister Herr Maser mit seinem hochmodernen Rasenmäher um die Ecke.
„Herr Maser, Herr Maser, wir haben eine Frage an Sie“, ich lief auf ihn zu und Lisa folgte mir.
„Was denn?“, meckerte dieser und schaute uns grimmig an.
Lisa ließ sich davon allerdings nicht beirren, sondern fragte stattdessen: „Haben Sie heute vergessen, den Automaten da aufzufüllen? Das soll keine Kritik sein, meine Freundin wollte sich nur das neue Getränk holen, doch leider ist keins mehr da.“
„Von wegen, keine Kritik!“, brüllte er fast. “Eine Frechheit, natürlich habe ich ihn aufgefüllt, ich nehme meinen Job sehr ernst! Die Jugend von heute, alle nur auf materielle Dinge, in meiner Kindheit in den zwanziger Jahren war alles noch ganz anders. Ihr wart anscheinend so gierig, dass ihr das Loch hier reingeschlagen habt, um zu schauen, ob es noch euer heißgeliebtes Süßzeugs gibt…“
Er hatte sich irgendwann in seinem negativen Geschwafel verloren und ich wartete schon eine ganze Weile auf den Einsatz von Lisa, die eigentlich immer etwas vorlauter und mutiger war als ich, doch die war gerade damit beschäftigt, dem Aufräumroboter, der den oft sehr verschmutzten Schulhof säuberte, aus dem Weg zu gehen.
Also musste ich ihn unterbrechen, bevor wir unserem Hausmeister noch die ganze Pause lauschen mussten: „Entschuldigen Sie, aber was meinen sie mit ‚Loch‘?“
„Na, das da hinten im Automaten, wagt bloß nicht, mich zu veräppeln.“
Er hatte heute wohl wirklich einen schlechten Tag, unser Herr Maser. Viel wichtiger war jetzt aber dieses Loch, von dem er die ganze Zeit redete, also drehte ich mich um und sah es dann auch: In der Rückseite des Automaten war eine riesige Öffnung, durch die man den Innenraum begutachten konnte.
„OMG, Lisa, komm mal schnell, das musst du dir anschauen!“
Lisa kam verschwitzt von ihrer Flucht zu mir und staunte ebenfalls nicht schlecht.
„Das waren wir nicht“, versicherte sie dem Hausmeister und machte sich auch schon an dem Loch zu schaffen.
„Weg da! Das muss ich jetzt reparieren“, motzte der allerdings nur, so dass sie jetzt leider ihre Untersuchungen am Tatort beenden musste. „Mir ist es sowieso egal, wer es war, ihr seid doch alle gleich.“
Und nach diesen Worten packte Herr Maser seine Laser-Reparaturgeräte aus und machte uns klar, dass wir schleunigst verschwinden sollten.
Lisa schaute mich schon eine ganze Weile so geheimnisvoll an und als wir außer Hörweite waren, fing sie auch schon an, ihrer neugierigen und äußerst redebedürftigen Ader freien Lauf zu lassen:
„Clarissa, weißt du eigentlich, was das jetzt für uns bedeutet?“, fragte sie mich auch schon mit ihrem abenteuerlichen Funkeln in den Augen, und da ich sie nur dumm anschaute, fuhr sie fort: „Na, dass wir endlich mal einen spannenden Fall haben! Jetzt beginnt meine Karriere als Detektivin! Heute Nachmittag kommst du zu mir, ob du willst oder nicht!“ Sie hätte bestimmt noch viel, viel mehr reden können, doch zum Glück klingelte es und unsere AGs begannen. Natürlich waren Lisa und ich in der gleichen, was mich leider doch nicht vor ihr rettete.
„Guten Morgen, Kinder!“
Frau Stier, unsere AG-Leiterin, stand mit zehn Cyberboards unterm Arm vor uns und fing an, diese schon auf den Boden zu legen.
Cyberboards waren noch nicht lange auf dem Markt, weswegen sie leider auch sehr teuer waren, aber glücklicherweise bietet unsere Schule seit neuestem freitags eine AG an.
„Komm, Lisa, beeil dich, sonst kriegen wir noch das, was letzte Stunde kaputt gegangen ist.“
Ich zog meine Freundin in Richtung der funktionierenden Exemplare, doch diese blieb wie angewurzelt stehen und machte sich los.
Verdutzt schaute ich ihr hinterher, doch sie war schon zu Frau Stier gerannt.
Es sah so aus, als ob sie versuchte, irgendetwas aus ihr herauszuquetschen und ihr Finger zeigte die ganze Zeit zu Max.
Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, etwas Besonderes an ihm zu erkennen, doch er war völlig normal.
Er schien noch nicht mal zu merken, dass jemand über ihn redete. Hmmm, war da nicht so ein komischer roter Punkt auf dem Board von Max?
Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu und dann erkannte ich es: Er hatte einen Klecks „MEGASUSWEET“ auf seinem Fluggerät!
Der süßliche Geruch stieg schon in meine Nase und ich bekam wieder ein bisschen Durst.
Ich rannte zu Lisa, die gerade die verzweifelt aussehende Frau Stier belagerte.
„Erinnern Sie sich doch bitte! Es geht hier um Leben und Tod! Denken Sie nach, bitte, wo haben Sie es hingestellt?“, hörte ich sie auch schon reden.
„Hi Lisa“, meinte ich. „Ich hab´s verstanden mit dem roten Punkt, du musst es mir nicht mehr erklären“, sagte ich, aber Lisa machte nur „Pssst“, denn Frau Stier hatte gerade angefangen, die Frage zu beantworten:
„Nun also, sie standen da, wo sie immer stehen, im Geräteraum.“
„Okay danke, das reicht, wir gehen jetzt mal kurz auf Klo“, und schon zog mich meine beste Freundin mit ins Gebäude.
„Komm, beeil dich mal, du lahme Ente!“, zischte Lisa aus dem Geräteraum unserer Turnhalle.
„Ich komm ja schon“, widerwillig schob ich mich am Barren vorbei.
Ob uns auch keiner sieht?
„Schau mal, Clarissa, hier ist eine rote Spur und sie riecht verdächtig süß.“
Ich schaute über ihre Schulter und sie hatte Recht.
„Komm, da geht sie weiter, wir können sie ja verfolgen“, meinte ich und Lisa war natürlich direkt dabei.
„Boah, voll blöd, dass ich nicht alle meine Detektivsachen hier habe, aber es wäre besser, wenn wir den Fall jetzt schon lösen könnten“, meinte sie nur noch, bevor wir uns auf die Abenteuerjagd machten.
„Mann, hier ist total viel Gestrüpp!“, meckerte ich, als ich in eine Brennnessel reintrat. Auch Lisa kam mir nicht mehr ganz so motiviert vor wie noch vor ein paar Minuten.
„Lisa, wir sind schon seit zehn Minuten nicht mehr in unserer AG! Nicht dass sie noch einen Suchtrupp nach uns schicken.“
„Aber wenn wir den Fall gelöst haben, wird uns jeder dankbar sein“, antwortete Lisa.
„Was meintest du vorhin eigentlich mit ‚nicht alle Detektivsachen‘, Lisa?“, fragte ich sie.
“Ach, ich hab immer so ein paar Sachen für den Notfall im Gepäck“, meinte sie und deutete auf ihren Rucksack.
„Oh mein Gott! Clarissa, hast du die Gestalt da hinten auch gesehen?“, schrie sie jetzt und meine Hoffnungen, dass sie alleine wieder zu Vernunft kommen würde, konnte ich mir auch abschminken.
„Nicht auffallen!“, zischte sie und zog mich hinter einen Baum.
„Lisa, man kann es auch übertreiben, die Person hast du dir nur eingebildet!“
So langsam wurde ich sauer!
Aber hatte da sich nicht was im Gebüsch bewegt?
Aah, wollte ich schreien, als eine Gestalt heraussprang, aber Lisa hielt mir den Mund zu.
„Ssscht!“, machte sie, zog ein Fernglas heraus und drehte an dem Rädchen, um von dem Nachtfilter auf den normalen zu machen.
„Und, wer ist es?“, fragte ich aufgeregt.
„Keine Ahnung, der hat nur schwarze Sachen an.“
Lisa schlich jetzt leise auf die Person zu und ich folgte ihr leider nicht ganz so unauffällig.
Jedenfalls blieb das Phantom plötzlich stehen, aber nach einer kurzen Zeit ging es weiter in Richtung Südspitze.
In die wir normalerweise nicht reindurften.
Aber ich sagte nichts, weil ich Lisas Antwort sowieso schon wusste, außerdem wollte ich nicht schon wieder auffallen.
Und genau in dem Moment, in dem ich das dachte, stolperte Lisa über einen Stein.
Den Krach bekam die Gestalt leider auch mit, weswegen sie Reißaus nahm.
Und zwar ziemlich schnell, da sie Inliner mit Feuerpower hatte.
„Alles gut?“, fragte ich Lisa und sie nickte.
„Wie ist das denn passiert?“
Sie schaute verwirrt nach einer miesen Stolperfalle oder Ähnlichem aus. „Du bist über einen Stein gefallen“, ich suchte jetzt ebenfalls nach einem Stein, fand aber keinen.
„Clarissa, ich glaube, das war kein Stein.“
Lisa hob eine Flasche Megasusweet vom Boden auf.
„Wir haben die richtige Spur, Lisa“
„Ja, die haben wir.“
Und nach diesen Worten zauberte sie zwei Paar der Feuer-Inliner aus ihrem Rucksack hervor.
„Da vorne ist er!“, schrie ich gegen den Fahrtwind an und wir schlugen eine Kurve ein.
Jetzt hatte er uns auch erkannt und legte noch einen Zahn zu.
Aber wir wurden auch schneller und hetzten ihn immer weiter Richtung Südspitze.
Plötzlich bremste er und Lisa und ich grinsten uns an: Der Fremde stand genau vor dem Wasser des Rheins.
„Tja, du Dieb, zeig doch mal was du da in deinem Beutel hast“, sagte Lisa und mir fiel jetzt erst auf, dass er einen Beutel dabei hatte. „Niemals!“, rief er, aber ich schnappte ihm schon den Sack aus der Hand, währenddessen hatte Lisa den Mann schon mit einem Seil gefesselt.
In dem Sack waren wirklich die ganzen Erfrischungsgetränke.
„Nehmen wir ihm zusammen die Maske ab?“, fragte sie mich und ich nickte.
„Waaaas?!“, schrien wir gleichzeitig.
Unter der Maske verbarg sich niemand anderer als unserer Hausmeister! „Sie haben die Getränke geklaut? Aber sie meinten doch, dass sie so was hassen würden!“
Verblüfft schaute ich ihn an.
„Ja, das was ich euch da erzählt habe, stimmte nicht ganz, in Wirklichkeit liebe ich diese Dinger! Ich wollte nur von mir ablenken, mit meiner Meckerei und wärt ihr nicht dazwischengekommen, hätte ich alles alleine austrinken können. Schönen Dank auch!“
Bockig drehte er sich um.
Nach einer Weile waren wir wieder bei unserer AG angekommen, allerdings zwanzig Minuten zu spät.
Aber nachdem wir Frau Stier alles erklärt hatten, bekamen wir statt Ärger zwei Schokolutscher und Megasusweetflaschen.
Wir mussten auch noch alles dem Direktor erklären, der Herrn Maser selbstverständlich feuerte.
Und als wir dann endlich wieder bei mir Zuhause waren, konnte ich auch endlich mal das Süßgetränk probieren.
„Und, wie schmeckt es?“, fragte Lisa.
Ich verzog das Gesicht.
Das Getränk, für das ich zahlreiche Regeln gebrochen hatte und sogar Geld ausgegeben hätte, schmeckte: „Schlecht!“
Clarissa war total aufgeregt, heute war ihr erster Schultag auf der weiterführenden Schule.
Heute war der dreizehnte Mai. Clarissa war schon sehr gespannt. Sie war mit dem Flugzeug zur Schule gekommen, da ja das Jahr 2050 war.
Clarissa hatte sich gefragt, wie es wohl früher gewesen war. Ob es auch schon Flugzeuge gab, die wie Autos auf den Straßen herumflogen? Oder ob es Laptops oder I-Pads als ganz normale Arbeitsmaterialien gab?
Clarissa hatte sich für die Schule Franciscus Gymnasium Nonnenwerth entschieden, die ein Internat war.
Wo Roboter als Lehrer arbeiteten.
Ihr gefielen die schöne Aussicht und die netten Schüler.
Clarissa war 10 Jahre alt.
Jetzt flog sie mit einer Hightech-Fähre.
Clarissa verabschiedete sich von ihren Eltern, die sie jetzt 6 Monate nicht mehr sehen würde.
Nun ist sie auf der Insel angekommen.
Der Duft von Rosenblättern ließ ihr Herz höherschlagen.
Überall blühten Rosenbäume, Kastanienbäume, und ein großer Roboterballplatz stand auf dem Schulhof.
Roboterball kann man mit Fußball vergleichen, nur dass die Roboter die Spieler sind und man sie mit dem I-Pad steuert.
Jetzt war Clarissa im Gebäude drin. Überall leuchtete es.
Nun kamen die Lehrer, die Roboter Anna und Peter.
Sie begrüßten die Schüler und führten sie dann in den Klassenraum.
Clarissa war so gespannt auf ihre neue Klasse.
Als erstes begrüßten sie sich und lernten ihre Namen mit einem kleinen Lernspiel kennen.
„So“, sagte Peter. „Jetzt erklär ich euch meine Fächer: Die sind nämlich Tanzen und Sport. Annas Fächer sind Erdkunde und Deutsch.“
Clarissa war jetzt schon drei Wochen auf ihrer neuen Schule und ihr gefiel es bis jetzt sehr gut.
Heimweh hatte sie nicht und Freunde hatte sie auch schon gefunden.
Da war vor allem ihre beste Freundin Dominique.
Heute war ein ganz besonderer Tag für Clarissa und Dominique, die beiden hatten Geburtstag.
Clarissa brachte Schoko-Donuts mit, was Dominique toll fand.
Dominique brachte einen Sack mit Kinderschokolade mit.
Es waren bereits zwei Stunden vergangen und Dominique und Clarissa hatten einen tollen Geburtstag.
Sie wurden besungen und die Donuts hatten sie auch schon gegessen.
Am Ende war es ein toller Geburtstag gewesen.
Clarissa war sauer.
Sie hatte eine Mathearbeit bekommen, die sie vor einem Monat geschrieben hatte.
Schon wieder eine vier plus.
‚Langsam reicht’s“, dachte sich Clarissa und haute den Desktopstift auf den Schreibtisch.
‚Ich hab mir doch so viel Mühe gegeben und hab mir extra nochmal alles von einem 8.Klässler erklären lassen.‘
Clarissa hatte Angst, dass sie von der Schule fliegt, wenn sie sich nicht in ihren Fächern verbessert.
Über Face-Time sprach sie mit ihren Eltern und bat sie um Rat.
„Clarissa, ich weiß, dass das jetzt nicht einfach für dich ist, dich auf deiner neuen Schule so einzufinden, aber du musst deinen Durchschnitt verbessern.“
„Ok, Mama, ich werde mich in nächster Zeit ins Zeug legen.“
‚Lass den Kopf nicht hängen und mach weiter‘, dachte sich Clarissa.
Heute war doch nicht der schlimmste Tag.
Heute wollte sie mit ihrer Freundin Dominique noch ins Kino gehen und den Film ‚Love in Love‘ gucken.
„Ich freu mich schon, gleich geht’s los“, prahlte sie lauthals an der Kasse.
„Das macht dann 34 Nanoas“, sagte der Kassierer.
Die beiden waren nun schon im Kino der Schule Nonnenwerth.
Danach wollten die beiden Freunde übernachten, zuvor aber noch auf der Inselküche etwas essen.
Schlürfend ging Clarissa mit ihrem Maas-Super-Alien-Drink in der Hand die Treppe hoch.
„Das wird ein toller Tag“, meinte Dominique, wobei sie sich einen leckeren Schaumstoff-Donut in den Mund warf.
„Ich bin gespannt auf den Film!“.
Gemeinsam tauchten sie in den dunklen Kinosaal ein.
Zweieinhalb Stunden später kamen die zwei Freunde aus dem Kinosaal heraus.
Im mit Menschen gefüllten Tunnel, der zum Ausgang führte, waren die Freunde kaum zu erkennen.
„Jetzt schnell, wir haben uns einen Tisch bei der Inselküche reserviert.“
Gemeinsam passierten sie den Ausgang und flogen mit ihren Hoverboards zum nahgelegenen Restaurant.
Auf dem Weg begegneten sie einem ihrer Klassenkameraden.
„Ich kann den echt nicht ausstehen“, meinte Clarissa und schaute missmutig auf Dominique.
„Ja, der mit seinen abstehenden schwarzen Haaren und seinen Möchtegern-Schuhen von Nike, die er eh nur für 5 Euro im Ausland gekauft hat.“
„Du hast Recht, aber jetzt müssen wir mal einen Zahn zulegen.
Wir haben um halb reserviert und wir haben schon 10 nach.“
Schließlich waren die beiden angekommen.
„Hier lang, meine Damen“, sagte der Kellner, der einen Schnauzbart und eine rote, am karierten Hemd angebundene Krawatte trug.
Die beiden setzten sich an einen Holztisch, der mit einer roten Tischdecke geschmückt war.
Eine flackernde Kerze erfüllte den fast leeren Raum mit Licht.
„Clarissa, wir müssen reden.“
„Ja“, sagte Clarissa mit einer Mischung aus Angst und Ernsthaftigkeit.
„Meine Eltern haben einen Job in Boston in den USA bekommen und wenn sie den Job annehmen, dann ziehen wir um.“
„Oh Gott“, sagte Clarissa und vor Schreck stieß sie das auf dem Tisch stehende Glas um.
„Aber mit wem verbringe ich dann die Pausen?“
„Nur noch drei Wochen, hat meine Mami gesagt, und dann gehen wir“, sagte Dominique.
Der Kellner unterbrach das ernsthafte Gespräch zwischen den beiden und fragte sie, was sie essen wollten. Die Freunde bestellten zwei Mal Pizza und genossen dann ihr italienisches Mahl.
Eine Zeit lang herrschte Stille, dann meinte Clarissa: „Die Zeit, die wir haben, verbringen wir so viel zusammen, wie es geht.“
Die Tage vergingen und Clarissa und Dominique mussten in nicht weniger als zwei Wochen Abschied nehmen.
Gemeinsam spielten sie, lachten zusammen und waren fröhlich.
Jedoch ging den beiden nie der Gedanke aus dem Kopf, dass sie bald Abschied nehmen mussten.
„Kommst du?“, fragte Clarissa ihre Freundin.
Die beiden wollten auf den Spielplatz, wo gerade ein kleines Fest gefeiert wurde.
Schon von weit weg ertönte die laute Boxenmusik.
Die beiden rannten los und schauten nicht nach unten.
Keine zehn Sekunden waren vergangen, da ertönte ein lauter, aber nicht allzu langer Schrei.
Clarissa hatte nicht aufgepasst und war gegen einen Jungen gestoßen. Er hatte schulterlange braune Haare und trug eine zerrissene blau-weiße Jeans.
„Oh, tut mir Leid“, sagten die beiden gleichzeitig und sie mussten schmunzeln.
„Mein Kopf tut nur weh, aber sonst ist alles ok.“
„Gehst du auch zur Feier?“, fragte der Junge und stellte sich wieder hin.
„Ja“, sagten Clarissa und Dominique und zusammen gingen sie zur Feier.
Als Clarissa den Jungen zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie sich sofort in ihn verliebt.
Nach dem Fest fuhren sie mit ihren neuen HOT-Hoverboards in ihre Zimmer.
„Der Junge war echt cool“, meinte Clarissa und schaute auf Dominique.
Sie war sauer und das konnte man ihr ansehen.
Sie senkte den Kopf und schließlich sagte sie: „Ich dachte, wir wollten viel Zeit miteinander verbringen. Du hast nur etwas mit dem Jungen gemacht, das war so fies…“
Und schon war sie mit ihrem Luftfahrzeug verschwunden.
Der Tag war gekommen.
Clarissa musste von Dominique Abschied nehmen.
Zusammen saßen sie noch im Gemeinschaftsraum und spielten Playstation 54.
„Clarissa, du bist und bleibst meine beste Freundin“, versprach ihr Dominique.
„Wir können telefonieren und uns in den Ferien treffen. Aber jetzt ist Zeit für die Abreise.“
Clarissa hatte sich nach dem Zoff wieder mit ihrer Freundin vertragen.
Clarissa begleitete sie noch zur Fähre und die ersten Tränen flossen über die Gesichter der Beiden.
Dabei dachten sie sich, dass Freundschaft kommt und geht.
Nach drei langweiligen Unterrichtsstunden saß Clarissa mit ihren Freunden Gothelind und Irmgard auf dem Pausenhof.
Sie gönnten sich ein Minzeis.
„Seitdem ich fünfzehn bin, stehe ich dauernd unter Kontrolle meiner Eltern. Sie meinen, dass ich mehr lernen soll, obwohl wir im Jahr 2050 leben, wo man doch einfach den Homerobo fragen kann“, protestierte Clarissa.
Irmgard nickte und sagte: „Hier auf der Insel im Rhein ist man total ausgeschlossen von der Außenwelt und wenn ich zu Hause bin, muss ich lernen.“
Ein hohes, lautes Geräusch unterbrach die drei, es war das Geräusch, das die Pause beenden sollte, also machten sie sich auf den Weg zum Geschichtsunterricht.
Dort wartete auch schon Herr Edelstein auf sie, der ihnen seit Tagen versuchte zu erklären, wann die letzten Akten der Kennedy –Ermordung veröffentlicht wurden.
Gothelind kam nach der Stunde zu Clarissa.
Als Clarissa sie sah, musste sie lachen, da sie sich mal wieder die Bananenfrisur gemacht hatte.
„Ich habe in dem Test auch ein A, gib den A-Check“, sagte Gothelind, „gehen wir nachher mit Irmgard und Elisabeth ins 8D-Kino?“
„Ja, aber nicht zu lang. Sonst darf ich nie mehr ins 8D-Kino“,entgegnete Clarissa. „Ich freue mich schon auf Elisabeth, sie hat bestimmt viel zu erzählen von ihrer Kulturreise.“
Gemeinsam mit Irmgard gingen sie in die Mittagspause. Nach dem Essen gingen sie in den Gängen herum.
Sie lachten viel, besonders über die unlustigen Witze von Irmgard.
„Oh, Mann. Ich habe mein Bookpad im Kiosk vergessen!“, fiel Clarissa ein.
Als sie Clarissas Bookpad wieder gefunden hatten, klingelte es schon zum Unterricht.
Plötzlich stand Josef vor ihnen und meinte: „Es gibt einen Defekt in der Verbindung von der Zentrale und unseren Bookpads, hoffentlich hat unser System nicht die anderen Schulen angesteckt.“
„Oh, my godness! Keine Bookpads, kein Schulstoff!“, schrie Gothelind auf.
Und so war es auch: Sobald die Bookpads ausfallen, sind die Lehrer hoffnungslos verloren, daher durften sie die Schule eine Stunde früher verlassen.
Clarissa zückte ihren Messageblock und schrieb Elisabeth:
„Hey Elisabeth,
wurden wegen Ausfall der Bookpads früher rausgelassen. Könntest du in zehn min. am Kino sein? Könnten uns danach noch Fingercams machen lassen.
Freue mich!
Clarissa“
Eine Viertelstunde später standen sie zu viert vor dem 8D-Kino.
Clarissa fuhr sich durch ihr langes braunes Haar und umarmte Elisabeth, die ihre blonden Haare zu einem Duttturm gebunden hatte.
“Hey. Ich habe euch alle so vermisst, so verrückte Freunde wie ihr gibt es nirgendwo“, kreischte Irmgard.
“Du hast so einen schönen Teint bekommen, wie war es in Portugal und in Frankreich?“, meinte Gothelind.
Als Elisabeth sie überzeugt hatte, dass sie ihnen nach dem Kinobesuch alles erzählen würde, gingen sie in den großen Kinosaal.
Irmgard war nach der Vorstellung ein wenig übel. Sie gingen in ein Café und tranken Bubble Tea.
Nachdem Irmgard und Gothelind gegangen waren, gingen Clarissa und Elisabeth in ein Labor, um sich die schon lang ersehnten Fingercams installieren zu lassen.
Sie fuhren mit der Traffic-Achterbahn.
„Es war echt super, schade, dass du nicht mitgekommen bist“, sagte Elisabeth.
„Ja, ich weiß, aber in zwei Wochen fahren wir zusammen nach Amerika.“
Nach einer zehnminütigen Fahrt waren sie am Ende der Stadt angekommen, sie gingen immer geradeaus, bis sie an einem großen, weißverglasten Haus stehen blieben und mit ihren Fingerabdrücken die Klingel betätigten.
Diese Technik hatte seit rund vier Jahren jedes Haus, es sollte zeigen, wer wo wann war, um Verbrechen zu vermeiden.
Sofort kam ein kleiner Homerobo und öffnete ihnen die Tür.
„Da seid ihr ja“, rief der Cheflaborant ihnen zu, aus irgendwelchen Gründen hielt er die beiden für etwas Besonderes und gab ihnen kostenlose Behandlungen.
Ein paar Stiche in die Finger und schon hatten sie Fingercams.
Sie bekamen noch eine kleine Einweisung. Um sie zu aktivieren – zweimal drauf drücken .Um eine Verbindung mit Elisabeth abzubrechen – zweimal klatschen.
Sie verabschiedeten sich von dem Cheflaboranten Roland und fuhren mit der Traffic-Achterbahn nach Hause.
Dort wurde Clarissa schon von ihrer Mutter erwartet.
„Und, wie war es in der Schule und bei Roland?“, fragte sie.
„Ganz in Ordnung“, erwiderte Clarissa, „woher kennst du Roland eigentlich?“
„Ach, Clarissa, man muss nicht alles wissen“, bekam sie zur Antwort.
Am nächsten Morgen klingelte ihr nervtötender Wecker und holte sie aus ihren Träumen.
Vor der Tür hörte sie schon Stimmen.
„Clarissa, steh auf!“, hörte sie die Stimme ihres Vaters.
Sie machte sich ein Brot mit Sprühmarmelade und machte sich auf den Weg zur Schule.
Sie wusste nicht, wo sie Erdkunde hatte. Zum Glück kontaktierte Elisabeth sie über die Fingercams.
Elisabeth kam schon auf sie zu und erklärte ihr die Vorteile der Fingercams.
Sie hatte gerade ihren Erdkundetest abgeschickt, da klingelte es zur Pause. „Hey, Clarissa, wollen wir mit den anderen einen Kurs für alte Tänze wie Disco Fox besuchen“, fragte Irmgard.
„Wir können ja mal überlegen“. meinte Clarissa.
Clarissa durfte eine Stunde früher gehen, da sie einen Zahnarzttermin hatte.
Ihre Mutter holte sie mit dem Fünfsitzerhoverboard von der Schule ab und sie fuhren gemeinsam zur Zahnarztpraxis. Dort bekam sie von ungeschickten Robotern die Zähne gereinigt.
Später kam noch ein ziemlich komischer Zahnarzt und kontrollierte ihre Zahnersätze.
Auf dem Heimweg eröffnete Clarissas Mutter Daphne ihr, dass sie den Abend mit ihrer Großtante Anna verbringen musste, weil Anna auf die Idee kam, sie heute zu besuchen: An dem Tag, an dem ihre Eltern auf einer Messe für neue Roboter waren.
Clarissa konnte sich nicht mal richtig an Anna erinnern, da sie sie das letzte Mal mit vier Jahren gesehen hatte.
‚Toll, jetzt kann ich den Abend mit einer fremden Person verbringen‘, dachte Clarissa.
Als sie wieder zu Hause ankamen, bestellte Clarissa bei ihrem Homerobo einen Milchslush und eine kleine Sushiplatte.
„Schatz, wir gehen jetzt. Deine Großtante wird bestimmt gleich kommen“, rief Clarissas Mutter von der Haustür.
‚Wieso kommt Tante Anna nach so vielen Jahren ausgerechnet heute?‘, fragte sich Clarissa.
Nach einigen Minuten hörte Clarissa ein lautes Geräusch vor der Haustür.
Was war das?
Neugierig ging Clarissa in Richtung Haustür.
Sie schaute auf die Sicherungsanlage des Hauses, wo auf einem kleinem Display der Vorhof abgebildet war, aber er war nicht leer, dort stand eine recht kleine Frau mit einem großem Koffer, die ihr irgendwie bekannt vorkam.
Ohne zu überlegen öffnete Clarissa ihr die Tür.
„Hallo, du bist doch bestimmt die kleine Lissi. Mann, bist du groß geworden. Ach, ich bin übrigens Anna“, meinte die kleine Frau
„Äh, hallo, komm doch rein“, sagte Clarissa.
Sie bestellte zwei Gläser Wasser bei ihrem Homerobo und widmete sich wieder Anna.
„Wie alt bist du jetzt? Fünfzehn oder?“, fragte diese.
„Ja, sag mal. Wieso hast du so einen großen Koffer dabei und warum habe ich dich seit meinem vierten Lebensjahr nicht mehr gesehen?“, fragte Clarissa.
„Ich bleibe für ein paar Wochen bei euch. Hat dir Daphne nichts gesagt? Warst du wirklich erst vier? Naja, egal, du wirst es noch früh genug erfahren, wieso ich den Kontakt zu dir abgebrochen habe. Du gehst doch noch auf diese Schule auf einer Insel?“, löcherte mich Anna.
„Das Gästezimmer ist neben der Küche, ich gehe jetzt erst mal schlafen. Morgen reden wir weiter. Gute Nacht“, bekam Anna von Clarissa zur Antwort.
Nachdem Clarissa ihre Zimmertür hinter sich zugezogen hatte, legte sie sich sofort ins Bett und dachte über Tante Anna nach, bis sie einschlief.
Mitten in der Nacht spürte Clarissa ein leichtes Vibrieren an ihrer Fingercam, von dem sie unschön geweckt wurde. Ein Bild erschien, es war Elisabeth mit einer Nachricht für Clarissa:
Entschuldigung für die späte Störung, aber es geht mir echt schlecht. Meine Mutter hat mich die ganze Zeit angelogen. Während ich auf Kulturreise war, hat sie einen neuen Freund gefunden. Aber noch viel schlimmer ist es, dass er heute mit seinem Sohn bei uns eingezogen ist! Das musste ich jetzt einfach loswerden.
Wie war es beim Zahnarzt?
Ohne sich darüber weitere Gedanken zu machen, schlief Clarissa wieder ein.
Am nächsten Morgen berichteten Clarissas Eltern von der Roboter-Messe, Tante Anna war noch nicht wach.
Mit ihrem hellblauem Hoverboard machte sich Clarissa auf den Weg zur Schule. Dort erzählte Elisabeth ihr die ganze Geschichte mit ihrer Mutter noch einmal, nur noch dramatischer.
In der Mensa trafen Clarissa und Elisabeth Elisabeths Stiefbruder Theo, der heute seinen ersten Schultag in ihrer Klasse hatte.
„So schlimm ist Theo doch gar nicht“, sagte Clarissa.
„Oh doch, er ist total eingebildet und meint, ich wäre was Schlechteres, nur weil ich nicht so beliebt bin wie er.“
Ein paar Sekunden später kam Theo zu den beiden an den Tisch und meinte: „Elisabeth, es tut mir leid, ich wusste nicht, dass du nichts von mir und meinem Vater wusstest. Wie wäre es, wenn wir heute nach der Schule was zusammen unternehmen, um uns besser kennenzulernen? Clarissa, du kannst auch mitkommen, so heißt du doch?“
„Ja, gerne. Elisabeth freut sich auch. Nicht wahr?“, antwortete Clarissa.
„Ok, super! Nach der Schule vor der Traffic-Achterbahn. Bis nachher, ich muss los“, entgegnete er.
Elisabeth warf Clarissa einen bösen Blick zu: „Guck, dich hat er auch schon beeindruckt. Er ist so egoistisch. Das kann ja heiter werden.“
Auch wenn Elisabeth die restliche Schulzeit schlecht gelaunt war, wegen der Verabredung mit Theo, freute sich Clarissa irgendwie auf das Treffen.
Elisabeth trödelte auf dem Weg zur Traffic-Achterbahn mal wieder.
„Ich hab es nicht so eilig wie du, Theo zu treffen“, jammerte sie.
„Ach, Quatsch! Ich möchte nur, dass du dich mit deinem neuen Bruder gut verstehst und außerdem muss ich nicht unbedingt meiner Großtante begegnen“, erwiderte Clarissa.
„Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen“, kicherte Elisabeth.
„Für was?“, fragte Theo, der wie aus dem nichts vor uns stand.
„Ach, egal. Was wollen wir denn machen?“, lenkte Clarissa vom Thema ab.
Und schon wieder kicherte Elisabeth.
Sie beschlossen, ins Kino zu gehen und setzten sich in die Traffic-Achterbahn.
Im Kino führten Elisabeth und Theo eine Diskussion über die Filmwahl.
„Also, ich würde auch noch einmal Mainblue gucken“, entgegnete Clarissa.
„Oh Gott, den Film haben wir doch schon gesehen, aber meinetwegen“, motzte Elisabeth.
Nachdem die drei ein paar nette Stunden verbracht hatten, musste selbst Elisabeth zugeben, dass ihr Stiefbruder ganz in Ordnung war.
Elisabeth und Theo verschwanden lachend hinter einer Ecke, sie machten sich auf den Weg nach Hause.
Auch Clarissa ging langsam Richtung Traffic-Achterbahn.
Zuhause wartete Tante Anna schon auf Clarissa.
Sie stellte ihr Fragen zu ihrem Tag.
Als Anna von Theo hörte, machte sie ein komisches Gesicht.
„Hör gut zu, du bist dazu bestimmt, alte Schätze und Aufzeichnungen zu finden, in allen Zeiten. Jemand wird dir dabei helfen, aber das wirst du noch früh genug erfahren, die Zeit ist noch nicht gekommen“, sagte Anna geheimnisvoll.
Clarissa löcherte Anna mit Fragen, doch die tat so, als ob sie nicht wüsste, was Clarissa meinte.
Clarissa schrieb alles genau auf, was Anna gesagt hatte.
Sie wusste nicht so recht, was Anna damit meinte.
In Gedanken an Anna schlief sie ein, und träumte von Schätzen, die sie nach einem langen Kampf erobert hatte.
Piep. Piep.
Wiederstrebend öffnete sie ihre Augen.
Dieser verdammte Wecker!
Ächzend schlug Clarissa ihre Decke zurück und setzte sich auf ihre Bettkante.
Wie gerne würde sie sich jetzt wieder hinlegen, sich in ihr kuscheliges Bett kuscheln, um 60 Uhr aufstehen, sich anschließend einen Kakao machen und sich dann mit einem Buch an ihr Lieblingsfenster setzen.
Sie liebte den Schnee. Sie hätte ihn sich den ganzen Tag angucken können.
Sie seufzte.
Freitag, der 13., und noch dazu ein Schultag!
Als Clarissa auf die Uhr schaute, bekam sie einen Schock.
Nur noch 10 Foren.
Ihre Familie gehörte nicht zu diesen eitlen, reichen Schnöseln, weshalb sie mit ihrem Fahrrad zur Schule fahren musste.
Sie hasste die Schule.
Es war langweilig, die anderen aus ihrer Klasse verstanden erst die Aufgabe nach dem fünften Mal erklären und sie hatte keine Freunde in der Schule, was ihr den Alltag sichtlich verschlimmerte.
„Kommt schon, wir kommen sonst viel zu spät! Wir sind so schon ziemlich spät! Fenja! Fahr nicht solche Schlangenlinien und Fraln hör sofort auf, Stayn hinten reinzufahren…!“ So war es fast jeden Morgen auf dem Schulweg bei Familie Karner.
Außer Atem und mit wundem Hals vom Schreien stellte Clarissa ihr Fahrrad ab und rannte zum Schulgebäude, was natürlich wieder etwas dauerte, bis ihre ganzen 9 Geschwister und sie den Erkennungsprozess durchgeführt hatten und mit der fliegenden Glasgondel auf der Insel Nonnenwerth landeten.
Ich verstehe einfach nicht, warum Schule Pflicht ist, dachte sie sich. Die Erwachsenen sagen doch selbst immer, dass das Leben mit einem Weg zu vergleichen ist. Wenn also ein Kind nicht zur Schule will, ist es doch eigentlich völlig egal. Es ist seine Entscheidung. Manchmal biegt man halt falsch ab und man hat zwei Möglichkeiten: Entweder man läuft weiter und muss darauf hoffen, dass man irgendwann irgendwo wieder rauskommt.
Oder man läuft den ganzen Weg wieder bergauf und muss von vorn anfangen.
So ist es nun mal.
Als sie endlich die ganzen Treppen hinter sich hatte, und um die letzte Ecke ging, stieß sie mit einem Mädchen aus ihrer Klasse zusammen.
„Mensch, pass doch auf! Jetzt habe ich mit meinem T-Shirt dein ekelhaftes T-Shirt berührt!“
Fluchend und schimpfend lief sie weiter zur Mädchentoilette.
Clarissa schüttelte den Kopf und lief mit zweien ihrer Geschwister weiter, die in dem Flur nebenan Unterricht hatten.
Clarissa hasste ihre Klasse.
Ohne Clarissa wäre es die perfekte Klassengemeinschaft gewesen.
Alle waren nett zueinander, aber sobald es um Clarissa ging, wandten sich alle ab.
Im Grunde war es ihr ziemlich egal, sie war ja schließlich nur zum Lernen da. Sollen die anderen sagen, was sie wollen. Ihre Geschwister liefen ohne einen Abschied zankend weiter, so dass Clarissa jetzt alleine vor der Klassentür stand.
Sie seufzte.
Freitag der 13.
Ein Schultag.
Sie klopfte an der Tür und öffnete sie langsam. Alle aus der Klasse starrten sie mit missbilligendem Blick an und wandten sich dann wieder ihren Aufgaben zu.
„Sie hassen mich wirklich“, dachte sie.
Kurz vor der Mittagspause kam die Direktorin in die Klasse gerauscht und bedachte alle mit einem kühlen Blick. Zu Clarissas Entsetzen blieb ihr Blick an ihr hängen.
25 Augenpaare starrten sie an.
Sie starrte 2 haselnussbraune Augen an.
2 haselnussbraune Augen starrten in Clarissas blaue.
„Mitkommen!“, erklang es unwirsch von der Direktorin.
Clarissa wagte kaum zu atmen.
Starr stand sie auf.
Es schien ihr, als würde es Jahre dauern, bis sie endlich nach der Direktorin durch die Tür trat und alle Blicke ihr in den Rücken stachen.
Freitag der 13.
Zitternd ging Clarissa hinter der Direktorin lang und überlegte, was sie angestellt hatte, doch ihr fiel nichts ein. Sie hatte sich immer darum bemüht, möglichst unauffällig zu sein, da ihre Mutter sich so viel Mühe gab, damit sie und ihre Geschwister eine gute Bildung haben konnten.
Nonnenwerth war eine angesehene Schule und diese Chance musste Clarissa nutzen.
Zitternd setzte Clarissa sich gegenüber der Direktorin. Diese schlug die Beine übereinander und beobachtete sie, als wäre Clarissa einer dieser undefinierbaren Haufen, die es in der Schule zum Mittagessen gab.
„Nun, Clarissa, ich habe dich hergebracht, weil ich mir alle deine Zeugnisse angeschaut habe und auch ein bisschen über deine Familienverhältnisse nachgeguckt habe.“
Letzteres ließ sie erschaudern, da sie eigentlich schon recht gerne ein Privatleben außerhalb der Schule gehabt hätte, doch anscheinend wusste nun selbst die Direktorin, was in ihrem Familienleben vor sich ging.
„Du kennst doch die St. Ives School in Portugal, oder? Die brauchen noch ein paar Schüler…“, lachte sie.
Wie ich diesen Lehrerhumor hasse, dachte Clarissa sich, nicke jedoch brav.
Natürlich kannte sie die St. Ives School. Es war die berühmteste Privatschule in ganz Europa und sie kostete unglaublich viel, weshalb es nur ganz wenige Schüler gab. Anscheinend zu wenige.
Clarissa wollte schon immer einmal dort hin, doch natürlich durfte sie mal wieder nicht über ihr eigenes Leben entscheiden.
„Tja, scheint so, als müsstest du Koffer packen und Abschied nehmen.“
„Wie bitte!? Ich komme zur St. Ives School!? Aber meine Mutter kann sich das nicht leisten und …“
„Keine Sorge. Die Schule wird das für dich finanzieren. Ich habe mit der Direktorin dort gesprochen und sie meinte, dass es in Ordnung wäre, wenn du erst mal drei Monate zum Probieren da bleibst – na, wie klingt das für dich?“, fragte sie und Clarissa glaubte sie das erste mal lächeln zu sehen.
Unfassbarerweise war das Lächeln dieser absolut strengen Autoritätsperson ansteckend.
„Natürlich würde ich gerne, aber könnte ich davor vielleicht meine Mutter fragen?“, antwortete Clarissa.
Der Rest des Tages verlief eigentlich ganz normal, na ja… – mal abgesehen von den komischen Blicken, die Clarissas Klassenkameraden ihr die ganze Zeit zuwarfen.
Auf dem Weg nach Hause konnte Clarissa es kaum erwarten, ihrer Mutter von dem Gespräch mit der Direktorin zu erzählen. Zugleich aber fürchtete sie sich vor der Reaktion ihrer Mutter. Clarissa konnte sie doch nicht einfach so verlassen, nachdem ihre Mutter das schon einmal erlebt hatte…
Mit zittrigen Händen holte Clarissa ihren Hausschlüssel aus der Tasche und öffnete sich und ihren Geschwistern die Tür.
Clarissa war ihren Geschwistern unendlich dankbar, dass sie sich dieses Mal benahmen, weil sie anscheinend merkten, dass Clarissa ein bisschen neben der Spur war.
Zuhause schleuderte sie ihre Tasche in ihr Zimmer, das sie sich mit Melissa und Fenja teilte, und lief schnurstracks zum Büro (und zugleich Schlafzimmer) ihrer Mutter.
Schon von draußen hörte Clarissa ihre Mutter am Telefon wild diskutieren. Kurz war Clarissa in Versuchung, wieder umzudrehen, als ihre Mutter von der anderen Seite der Tür resigniert seufzte, auflegte und sich auf ihren Lieblingssessel plumpsen ließ.
Dass es der Lieblingssessel ihrer Mutter war, wusste Clarissa, weil es die einzige Sitzgelegenheit (abgesehen von dem Bett) in dem Raum war. An sich war der Lieblingssessel ihrer Mutter der einzig wirklich bequeme Sitzplatz im ganzen Haus. Der Rest waren ganz normale Stühle.
Schwungvoll öffnete Clarissa die Tür und setzte ein Lächeln auf, bei dem selbst eine Schnecke bemerkt hätte, dass das Lächeln falsch war.
Clarissas Mutter arbeitete unglaublich viel, um den Lebensunterhalt der Familie bezahlen zu können.
„Ach Clarissa, Schatz“, seufzte ihre Mutter abermals und klopfte auf den Stuhl neben dem Sessel. „Setz dich doch. Manchmal bringt mich mein Boss einfach nur zur Weißglut. Aber ich kann leider nicht einfach kündigen…“
Clarissa schob ihren Stuhl näher an den Sessel und kuschelte sich an ihre Mutter. Sie straffte die Schultern und fragte ihre Mutter: „Unsere Direktorin hat heute mit mir gesprochen und gefragt, ob ich auf die St. Ives School gehen will und ich wollte, bevor ich irgendetwas ausmache, erst einmal mit dir darüber reden. Die Schule hat sich bereit erklärt, mir dann alles zu finanzieren. Außerdem ist die Direktorin damit einverstanden, dass ich erst einmal ein paar Monate zum Gucken da bleibe. Danach wird alles weitere entschieden.“
Erst als Clarissa tief Luft holte, merkte sie, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
Abwartend schaute sie ihre Mutter an.
Diese holte zitternd Luft, biss sich auf die Unterlippe und schaute zur Seite. Nach einiger Zeit antwortete ihre Mutter mit zittriger Stimme: „Clarissa, Schatz, ich weiß, dass das dein großer Traum ist. Also, auf die St. Ives School in Portugal zu gehen. Das hätte auch vielleicht viel früher geklappt, wenn da nicht dieser Unfall gewesen wäre…“
Clarissas Mutter redete immer von einem sogenannten ‚Unfall‘, obwohl Clarissa fand, dass Unfall nicht im geringsten das beschrieb, was tatsächlich passiert war.
Ihre Mutter lächelte sie an und streichelte ihr über den Kopf.
„Ich finde, nach allem, was du hier im Haus beigetragen hast, hast du es tatsächlich verdient, mal über dein eigenes Leben zu entscheiden und nicht Opfer der Taten anderer zu werden. Clarissa, ich will nicht, dass du so endest wie ich. Du hast mehr verdient als ein Leben wie dieses hier, du sollst ein Leben mit so wenig Sorgen wie möglich haben. Ganz ohne geht ja schließlich nicht. Aber das Wichtigste ist, dass es dein Leben ist. Du hast mein Einverständnis.“
Während des Essens konnte Clarissa einfach nicht aufhören zu grinsen. Es war ihr egal, dass ihre Geschwister sie die ganze Zeit, wie auch schon ihre Klassenkameraden in der Schule, komisch anguckten.
Obwohl Clarissa glücklich war, hatte sie schon noch ihre Zweifel. Würden da die Schüler genauso sein wie auf Nonnenwerth?
Würden die Lehrer dort wenigstens nett sein?
Würde Clarissa sich in dem riesigen Gebäude der Privatschule verlaufen?
Doch trotz allem wollte Clarissa sich in diesem Moment des Glücks nicht dieses wundervolle Gefühl nehmen.
Der Rest der Tage verging schnell. Clarissa spielte mit ihren Geschwistern, packte ihren Koffer und versuchte, die wichtigsten Dinge der portugiesischen Sprache zu erlernen. Guten Tag – Bom dia.
Guten Abend – Boa noite, oder so ähnlich.
Und noch ein paar Dinge konnte sie auf jeden Fall schon.
Hoffentlich können die Schüler dort auch andere Sprachen, wie zum Beispiel Englisch oder Deutsch.
Clarissa lag jetzt schon eine Weile wach in ihrem Bett, doch sie konnte vor lauter Aufregung einfach nicht einschlafen.
Sie würde endlich auf die St. Ives School gehen!
Es gingen Gerüchte um, dass dort anscheinend viele Kinder von berühmten Leuten zur Schule gingen. Dieser Gedanke beruhigte sie nun auch nicht gerade, im Gegenteil, andauernd zupfte sie sich an ihren braunen Haaren, die sich nicht einig werden konnten, ob sie nun nur Wellen oder Locken sein sollten.
Sie überlegte, ob sie dort bei den Schülern als einfaches Mädchen mit komischen braunen Haaren, blauen Augen und mittelmäßiger Größe willkommen sein werde.
Es war ja nicht so, dass sie ihr Aussehen nicht mochte, sie war nur einfach nicht so selbstverliebt wie die anderen Mädchen in ihrer Klasse.
So langsam wurde sie doch müde. Ihr letzter Gedanke galt – auch wenn sie sich dafür schämte, eine zu haben – ihrer Lieblingsschwester Fenja, die fünf Jahre jünger war, also sieben. Alle sagten, wenn Clarissa und Fenja keinen so großen Altersunterschied hätten, würden sie locker als eineiige Zwillinge durchgehen, und Clarissa verspürte immer unglaublichen Stolz, wenn ihre kleine Schwester dann immer antwortete: „Leider ist sie das nicht. Sie ist meine große Schwester, mein großes Vorbild!”, und dann ganz stolz ihre Hand nahm und strahlte. Sie würde Fenja unglaublich stark vermissen.
Clarissa gähnte am nächsten Morgen und schaute lächelnd Fenja zu, wie sie von ihrem Traum erzählte, in dem sie angeblich ihr Lieblingskuscheltier geheiratet hat und der Trauzeuge die Tasse von Melissa war. Mit Melissa hatte Clarissa deutlich mehr Probleme als mit ihren anderen Geschwistern, was wahrscheinlich daran lag, das Melissa nur ein Jahr jünger war und unfassbar egoistisch war.
Aber jetzt wollte Clarissa einfach nur den Moment genießen, von ihrer Familie umgeben zu sein. Ihre Mutter stand hinter ihr mit einer Hand auf Clarissa Schulter, Fenja vor ihr, die auf und ab hüpfte und ihre acht restlichen Geschwister neben ihr.
Gerade, als Fenja mit ihrer Erzählung fertig war, hörten sie den Gleißer kommen, der Clarissa zum Flughafen bringen sollte.
Sie umarmte alle mit Tränen in den Augen und flüsterte Fenja noch schnell ins Ohr: „Ich bin stolz auf dich und stolz auf die Tatsache, dein Vorbild zu sein. Ich werde dich immer lieben.”
Fenja kicherte und umarmte Clarissa noch einmal schnell.
Als letztes war ihre Mutter dran.
Diese hatte wie Clarissa auch Tränen in den Augen.
„Ich habe keine Worte dafür, wie sehr ich dich liebe, aber ich glaube du weißt, wie sehr, mein Schatz.”
Clarissa lächelte ihre Mutter an.
„Ich weiß, wie sehr du mich liebst. Das werde ich auch nicht vergessen, solange meine Liebe für dich noch in mir lebt.”
„Du solltest Poetin werden, Clarissa.“
Immer noch lächelnd stieg Clarissa in den Gleißer und suchte sich einen leeren Platz.
Als sie all ihre Dinge verstaut hatte, öffnete sie das Fenster und rief ihrer Familie zu: „Ich liebe euch alle! Werde euch vermissen!”
Dann drückte sie auf den Knopf an der Armlehne, um dem Fahrer zu signalisieren, dass sie angeschnallt ist und er losfahren kann.
Da Clarissa früh aufgestanden war, schlief sie zwei von drei Stunden.
Die dritte Stunde wiederholte sie die Portugiesisch-Vokabeln, las ein bisschen in ihrem Buch „Der Schatten meines Bruders“, ein sehr schönes Buch, das um die Freundschaft geht, selbst wenn jemand aus deinem engsten Umfeld stirbt, dass das Leben weitergeht und du nie und wirklich niemals aufhören darfst zu lachen, zu lieben und vor allem zu leben. Das Leben geht weiter.
Dieses Buch war Clarissa Liebstes und sie hatte es schon mehrere Male gelesen, und trotzdem könnte sie es immer und immer wieder lesen.
Sie war nur einmal als kleines Kind geflogen und erinnerte sich auch fast gar nicht mehr, wie es im Flughafen aussah, doch als sie die große Halle betrat, kamen Bruchstücke von Erinnerungen wieder, wie sie mit ihrer Mutter an der Hand hoch zu so einer Frau gucken musste, damit die Frau sie mit einem Bild von Clarissa selbst vergleichen konnte.
Schon komisch, was die Erwachsenen alles tun.
Doch dieses Mal ging alles so schnell, dass Clarissa gar nicht wusste, wie ihr geschah. Glücklicherweise holte eine Stewardess sie aber ab, bevor Clarissa sich in dem riesigen Gebäude des Flughafens verirren konnte.
Ihr Sitz war viel bequemer als sie erwartet hatte, doch trotz des angenehmen Sitzplatzes war der Druck auf ihren Ohren ganz und gar nicht angenehm.
Zum Glück gab ihr dann die nette Frau, die neben ihr saß, ein Pfefferminz-Kaugummi, was den Druck nicht komplett verschwinden ließ, aber doch ein bisschen half.
Während des Flugs schaute Clarissa hauptsächlich aus dem Fenster, obwohl sie die meiste Zeit nur flauschige Wolken sah. Trotz des spannenden Erlebnisses war Clarissa doch ein wenig froh, endlich aus dem Flugzeug zu steigen.
Nachdem Clarissa ihr ganzes Gepäck abgeholt hatte, ging sie nach draußen zu den Parkplätzen, da ihr gesagt wurde, dass dort ein Auto auf sie warten würde und Clarissa dann zum Internat bringen würde.
Das fand sie natürlich noch viel aufregender als den Flug, da sie das Gefühl hatte, so etwas wie einen Chauffeur zu haben.
Doch als sie auf den Parkplatz trat, stockte ihr der Atem, und das nicht vor lauter Aufregung.
Ein paar Meter weiter stand ein Mann, der komplett schwarz gekleidet war, ein Kommunikationsgerät im Ohr hatte und ein Schild mit ihrem Namen drauf in der Hand hielt.
Gruselig fand Clarissa auch, dass um ihn herum drei weitere Personen standen, die genauso aussahen, nur nicht mit Schild in der Hand.
Sie sahen fast so aus wie Bodyguards, nur ohne Sonnenbrille, was Clarissa schon ein bisschen erschreckte.
Natürlich wusste sie, dass die St.Ives School eine reiche Schule war, doch dass sie über Bodyguards verfügte, hätte sie sich jetzt nicht gedacht.
Zögernd ging sie auf die vier Männer zu und lächelte schwach.
„Äh, also, ich bin Clarissa. Guten Tag.”
Der Mann mit dem Schild nickte knapp und bedeutete Clarissa, ihm zu folgen.
Clarissa war ein wenig überrascht, dass sie nicht einmal einen Willkommensgruß bekommen hatte, was sie eigentlich von so einer hochrangigen Schule erwartet hätte. Clarissa fiel auf, das jeder der Männer einen eigenen Schlüssel in der Hand hielt.
Die Frage wofür beantwortete sich, als sie die Autos erreichten und jeder der Männer in einen anderen schwarzen Pick-Up stieg.
Clarissa sollte anscheinend bei dem Bodyguard mit dem Schild einsteigen, was sie dann auch zögernd tat.
Die ganze Fahrt über starrte Clarissa auf ihre Hände und überlegte, für wie dumm die Bodyguards sie jetzt halten würden. Immerhin war sie ja so intelligent gewesen, die portugiesischen Bodyguards auf Deutsch zu begrüßen.
Doch sie traute sich nicht, mit dem Bodyguard ein Gespräch anzufangen, da er so griesgrämig und konzentriert auf die Straße schaute.
Als dann auch Clarissa den Blick hob, stellten sich ihr die Nackenhärchen auf.
Sie waren auf einer dunklen und verlassenen Landstraße.
Alleine.
Nirgendwo mehr war eines der anderen Bodyguard-Autos zu sehen.
Da reichte es Clarissa mit dem Schweigen und sie versuchte, mit ihrem noch nicht vollständig ausgeprägten Englisch zu fragen: „Excuse me, Sir. But, where are the other cars?”
Fast hatte Clarissa erwartet, keine Antwort zu bekommen, als der Mann antwortete.
“Please ask later somebody else. I can not answer you any questions, my lady.”
Anschließend widmete er sich wieder hochkonzentriert der Straße.
Nach einer Weile merkte Clarissa plötzlich, dass sie am Strand ganz knapp am Meer vorbeifuhren.
Fragen wollte sie jetzt lieber nicht.
Schließlich hielt der Bodyguard.
Clarissa war einfach überwältigt von der Aussicht auf das Meer bei Nacht.
Sie hatte in Schulbüchern schon oft das Meer gesehen, aber da war merkwürdigerweise das Meer nur bei Tag fotografiert worden. Doch das eine Mal, als Clarissa im echten Meer schwimmen war, war auch das erste Mal, als sie geflogen war.
Nach Italien zu ihren Verwandten.
Doch das war auch lange her und seitdem hatte sie ihre Verwandten auch gar nicht mehr gesehen und Italien hatte sie auch danach nicht mehr gesehen.
Doch der Anblick, der sich ihr jetzt bot, war einfach umwerfend.
Das Meer war unglaublich dunkel, fast schwarz.
Da sie so weit vom Flughafen weg waren, konnte Clarissa jeden einzelnen Stern sehen und es waren unfassbar viele. Von ihrem Fenster in ihrem Zimmer zuhause aus konnte Clarissa ab und zu nur ein paar Sterne erblicken, doch trotzdem liebte sie die Sterne fast so sehr wie den Schnee.
Langsam folgte Clarissa dem Mann, der auf das Meer zuging und fragte sich, ob sie vielleicht bei den falschen Leuten eingestiegen war und er gleich versuchen würde, sie zu ertränken, doch diesen Gedanken schüttelte sie schnell wieder ab, da Clarissa wusste, dass die Schule nicht umsonst diesen guten Ruf besaß.
Der Mann blieb so stehen, dass das Wasser nur Millimeter von seinen Schuhen entfernt war.
Dann machte er einen Schritt nach vorne und das Wasser schwappte so zur Seite, dass der Mann nicht ins Nasse trat, sondern auf den Sand.
Das Wasser hatte im Platz gemacht!
Clarissa schnappte erschrocken nach Luft und taumelte einen Schritt zurück.
Sie verstand das nicht, war sie verrückt oder war es bloß, weil sie so aufgeregt war?
Hatte der Mann ihr irgendetwas eingeflößt oder war das alles echt?
Der Bodyguard drehte sich um und lächelte matt, was, wie Clarissa fand, sich nicht für einen Bodyguard gehörte.
Trotzdem fand sie es nicht ganz so schlimm, dass er ein bisschen von seiner Menschlichkeit zeigte.
“Have no fear. The director will answer you all your questions and explain how our school works. Come on.”
Clarissa konnte es einfach nicht fassen.
Es war also tatsächlich echt und der Mann hatte das Wasser grade mit den bloßen Gedanken bewegt.
Sie ging hinter dem Mann her, der mittlerweile seine Arme zur Seite ausgestreckt hatte, damit mehr Platz war zum Passieren des Meeres.
Obwohl Clarissa sichtlich um Fassung rang, wollte sie sich in diesem Moment nicht mit Fragen beschäftigen.
Lieber genoss sie das verrückte Gefühl, in einem Luft-Zylinder, der oben bis zur Oberfläche des Wassers reichte, durch das schönste Blau zu laufen.
Als sie versuchte, an der bulligen Gestalt des Bodyguards vorbei zu schauen, hatte sie das Gefühl, trotz des Luft-Zylinders im Wasser zu ertrinken.
Vor ihnen erstreckte sich so etwas wie eine Unterwasser-Stadt. Von ihrer Position aus konnte Clarissa nicht erkennen, ob es eine Glas- oder eine Luftkuppel war, die die Stadt vor dem Ertrinken schützte.
Genaueres konnte Clarissa nicht sehen, wegen der Sonnenstrahlen, die das Wasser reflektierte.
Jetzt verstand sie auch, weshalb es im Internet nie Fotos von der Schule gab.
Clarissa dachte einfach immer, das wäre ein Teil der Sicherheitsvorkehrungen.
Sie waren jetzt nur noch ein paar Meter von der Kuppel entfernt und Clarissa konnte schon einen kleinen Markt sehen, was sie erstaunte, da sie einfach nur ein riesiges Gelände der Schule erwartet hätte.
Der Mann ließ die Hände langsam sinken und Clarissa dachte schon, das Wasser würde jetzt wieder an seinen Platz rücken und sie würde ertrinken, doch anscheinend war der Mann geübt und der Zylinder blieb erhalten.
Mit der einen Hand bewegte er das Wasser, das zwischen ihnen und der Kuppel lag zur Seite und mit der anderen öffnete er die Luftkuppel, wie Clarissa erkennen konnte, als sie daraufzuliefen.
Es hatte sich schon eine kleine Gruppe von Schülern an dem ‚Stadttor‘, wie Clarissa es jetzt nannte, versammelt.
Sie alle winkten fröhlich und hatten Fähnchen in der Hand, wo ‚Willkommen‘ draufstand. Das überraschte Clarissa, da sie noch nie wirklich Freunde hatte und diese Kinder sie nicht einmal kannten und sich die Zeit dafür nahmen, sie willkommen zu heißen.
Und in diesem Moment, als fremde Kinder sie so herzlich begrüßten, ohne zu wissen, wer sie überhaupt war, da wusste sie, dass sie diesen Ort lieben würde.
Und diese Kinder auch.
Was Clarissa ein bisschen schade fand, war, dass alle Kinder die gleiche Kleidung anhatten, was hieß, dass es hier Schuluniformen gab.
Clarissa konnte nicht anders, sie musste einfach die Kinder anlächeln, als sie an ihnen vorbei ging. Manche der Kinder waren jünger, aber es gab auch einige, die ungefähr im selben Alter waren. Ältere sah sie nur wenige.
Der Bodyguard blieb bei einem Mädchen stehen, das schwarze, lockige Haare hatte, die ein bisschen abstanden. Sie hatte noch hellere Haut als Clarissa und rosa Wangen.
Ihre Augen irritierten Clarissa ein wenig, doch dann merkte sie auch, wieso.
Die Iris des Mädchens war so dunkel, dass es fast so aussah als hätte sie keine Pupille. Sie hatte eine zarte Gestalt und war ungefähr so groß wie Clarissa, doch ihr Lächeln war so strahlend, dass sie noch größer wirkte und ihre zarte Gestalt immer noch zart, aber dennoch stärker.
Clarissa fand dieses Mädchen eigentlich ganz sympathisch.
„Please take her to her new room and than to the director.”
„Aye, aye, sir!”, rief das Mädchen mit einer erstaunlich kräftigen Stimme.
Der Mann lächelte, schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen.
Das Mädchen hakte sich bei Clarissa unter und führte sie anscheinend zu Clarissas neuem Zimmer.
„Und du kommst also aus Deutschland?”, fragte das Mädchen heiter.
„Äh, ja. Woher weißt du das?”, antwortete Clarissa sichtlich irritiert.
„Na guck mal. Was würde es bringen, wenn deine Zimmernachbarin nicht dieselbe Sprache spricht wie du? Das wäre doch ein schreckliches Chaos im Zimmer, wenn man sich nicht gegenseitig versteht. Da hat die Direktorin ordentlich nachgedacht.”
„Du bist also meine Zimmernachbarin?”
„Ach, entschuldige! Also ich bin Mona und zwölf Jahre alt. Mein Lieblingshobby ist Beach-Volleyball, aber ich lese auch ganz gerne. Ich komme aus der Schweiz. Du?”
„Ich bin Clarissa und bin auch zwölf Jahre alt. Ich lese auch ziemlich gerne und wie du ja weißt, komme ich aus Deutschland.”
„Klasse, jetzt kennen wir uns wenigstens ein bisschen”, sagte sie enthusiastisch.
Nach einer Weile des Schweigens traute sich Clarissa endlich, zu fragen, was sie nicht so richtig verstand.
„Ähm, also als ich hierhergekommen bin, da hat dieser Mann das Meer einfach so entzweigeteilt als wäre er Mose. Wie geht das?”
„Ach so, stimmt ja. Eigentlich mag die Direktorin es ja ganz gerne, diesen Teil zu erzählen, aber es wird ja nicht schaden, wenn ich dir nur einen kleinen Einblick gebe…”, sagte Mona, doch auf so eine Art, dass Clarissa sofort wusste, dass es nicht nur ein kleiner Einblick war.
Clarissa merkte, dass sie bis jetzt gar nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte und als sie den Kopf hob, blieb ihr der Mund offen stehen.
Es war tatsächlich eine kleine Stadt.
Es gab, wie Clarissa von außen schon erkannt hatte, einen Markt, der aber gar nicht so klein war, wie sie anfangs geglaubt hatte.
Es war nicht so ein Markt, wie sie ihn von zu Hause kannte, es war so einer, wie man ihn früher immer hatte, aus Holz und mit rot-weiß-gestreiften Überdachungen.
Und tatsächlich gab es hier sogar Straßen und Bürgersteige.
Autos gab es nicht, zumindest hatte Clarissa noch keine gesehen, aber stattdessen gab es Fahrräder mit Anhängern hinten dran, um die Dinge leichter zu transportieren, die man oben eigentlich mit dem Auto transportiert hätte.
„Also, das ist so, dass eigentlich jeder Mensch etwas Besonderes ist, aber nun mal leider nicht alle die Chance haben, ihre Fähigkeiten zu entdecken, erlernen und dann auch anzuwenden.”
Mona sagte das alles mit so einer sachlichen Stimme, dass Clarissa sich ein Grinsen verkneifen musste.
„Und dann muss man die Leute, die die Chance haben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, natürlich geheim halten, weil, stell dir mal vor, wie das wäre, wenn jede Person ihre Fähigkeit zum Bösen nutzen würde. Dann wäre die Erde ein noch größeres Chaos als unser Zimmer! Egal, auf jeden Fall darfst du, falls du wieder oben bist, niemandem – und damit meine ich niemandem – davon verraten, was ich dir erzählt habe und noch erzählen werde. Versprochen?”
„Versprochen!”
„Gut. Also, es gibt überall auf der Welt trotz aller Sicherheitsmaßnahmen Leute wie deine Direktorin, die davon wissen und nach Leuten suchen, die sich es verdient haben, auf eine Schule wie die St.Ives School zu gehen. Glückwunsch, Clarissa, du bist nun eine Erwählte! Keine Sorge, das ist nichts Schlimmes. Ich habe mir das Wort selbst ausgedacht. Also das Wort selbst natürlich nicht, aber zu diesem Zusammenhang. Natürlich ist hier der Platz begrenzt wegen Wohnräumen und außerdem wird man ja immer älter, also mischen sich die Leute, die mit der Ausbildung fertig sind, wieder unter die anderen und fangen dann ihr Leben mit Hilfe ihrer Gaben neu an. Oder arbeiten hier als Lehrer oder als Verkäufer. Klasse, oder?”
„Das ist ja unglaublich! Jeder Mensch hat eine andere Fähigkeit! Welche hast du? Und ich? Was ist an mir so besonders?”
Mona lachte ein Lachen, bei dem man einfach lächeln musste.
„Mach mal langsam. Das kann man nicht einfach so sehen, obwohl es bestimmt eine prima Fähigkeit wäre, sehen zu können, was der andere so drauf hat… Egal, also musst du bestimmte Tests machen und wenn die dann eine Vermutung haben, denken sie sich eine Aufgabe passend zu deiner Gabe und wenn es klappt, hast du deine Gabe gefunden und musst nur noch üben, sie anzuwenden oder was auch immer gerade auf deine Gabe zutrifft.”
„Sind es immer nur gute Fähigkeiten?”
„Weißt du, alles ist irgendwie gut und irgendwie böse. Ying Yang halt. Es kommt ganz drauf an, wie du es anwendest. Nehmen wir Gedankenlesen als Beispiel. Entweder du tust es nur, wenn du gerade in einer schweren Situation bist, oder du machst es dauerhaft, um anderen Leuten ihre Privatsphäre zu nehmen und deinen Spaß zu haben, denn eins musst du wissen: Man stellt sich immer vor, Gaben würden einen erlösen, vielleicht tun sie das auch, aber sie können auch eine Last sein und wenn sie eine Last sind, dann aber so richtig.”
„Ok, danke. Jetzt freue ich mich total zu erfahren, was meine Gabe ist.”
Lachend gingen sie die Treppe eines gewaltigen Gebäudes hoch und hielten oben an einer fein geschnitzten Flügeltür.
„Das ist das Gebäude der Mädchen-Schlafräume und das da drüben, das genauso aussieht wie das der Mädchen, ist das Gebäude der Jungs. Also, herzlich Willkommen in der St. Ives School”, rief Mona und öffnete schwungvoll die Flügeltüren.
Clarissa erblickte eine große Eingangshalle mit jeweils vier Türen auf jeder Seite. Den Abstand zwischen den Türen füllten wunderschöne Vasen mit ebenso schönen Blumen aus.
„Wofür sind denn die vielen Türen?”
„Es ist so, dass wenn du zum Beispiel einen Film gucken willst, dir keine Sorgen machen musst, ob das auch für die kleinen Kinder in Ordnung ist. Das zum Beispiel ist das Revier der Acht- und Neunjährigen und dann immer so weiter mit einem Jahr Abstand.”
„Aber es gibt hier 16 Türen. Dann müsste man doch, bis man 23 ist, hier bleiben.”
„Nein, nein. Keine Sorge, man bleibt hier ungefähr bis man 19 ist, außer du bist außerordentlich hochbegabt. Die übrigen zwei Türen führen einmal zur Sauna und einmal zur Massage. Ich weiß, unglaublich! Ich konnte es auch nicht fassen, als ich das erste Mal davon gehört hatte! Eine Massage und eine Sauna! Diese Schule ist ein Segen!”
„Du hast gesagt, dass man hier Filme gucken kann. Hat man hier überhaupt Verbindung? Und wie lang bist du eigentlich schon hier?”, fragte Clarissa, während sie auf die zweite Tür auf der linken Seite zugingen. Dem ‚Revier‘ der Zwölf- und Dreizehnjährigen.
„Ja, weiß auch nicht genau, wieso wir hier Verbindung haben. Und hier bin ich ungefähr seit einem Monat. Um deine Frage von vorhin zu beantworten, nein, ich weiß noch nicht, welche Gabe ich habe. Ich bin wohl ein schwieriges Rätsel, sagen sie, aber morgen darf ich endlich ein paar von ihren Vermutungen ausprobieren. Ich bin unfassbar aufgeregt! Normalerweise ist das so, dass man erst einmal hier ankommt und man als erstes mit der Direktorin spricht und sich einlebt. Am zweiten Tag macht man dann die Tests und am Morgen des dritten Tages probiert man die Vermutungen aus und am Abend wird es dann offiziell.”
„Entschuldige, wenn ich mit meinen Fragen nerve, aber du redest die ganze Zeit von ‚sie‘ – wer sind ‚die‘? Und wieso hat es bei dir so lange gedauert? Was sind das überhaupt für Tests?”, wollte Clarissa wissen, während sie eine Treppe hochliefen, die in einem gemütlichen Gemeinschaftsraum endete, der sie leicht an Harry Potter erinnerte.
Von diesem Raum aus gab es noch einmal vier Treppen, die anscheinend zu den richtigen Schlafräumen führten.
„Also, ‚sie‘ ist das Schulleitungsteam und es hat bei mir so lange gedauert, weil die Tests nicht ordentlich funktioniert haben. An die Tests kann sich nachher niemand mehr erinnern und merk dir: Gefragt wird nicht. Also, da wären wir. Unser Zimmer. Tut mir leid aber ich habe es nicht mehr geschafft, aufzuräumen”, sagte Mona mit einem entschuldigen Blick. Jetzt verstand Clarissa auch, wieso Mona immer von Räumen sprach und nicht von Schlafzimmern.
Der Raum war riesig!
Neben der Eingangstür gab es rechts noch eine Tür, die zu einem Bad führte. Dort gab es sogar den Luxus von einer Dusche und einer Badewanne.
Das Bett von Mona war auf der rechten Seite, also war Clarissas Bett das linke.
In der Mitte des Raumes war ein riesiger runder Tisch, den man nur leider nicht so gut sehen konnte, da überall darüber verteilt Monas Schulunterlagen lagen.
Es gab zwei Stühle, die ziemlich bequem aussahen.
An den Kopfenden der Betten gab es für jedes Bett ein Fenster.
„Unfassbar”, war alles, was Clarissa hervorbringen konnte.
„Äh, ja. Tut mir leid. Aufgeräumt ist es schon ein bisschen schöner. Aber jetzt stell erst mal deine Sachen ab. Du musst noch zur Direktorin.”
Wie Clarissa bereits befürchtet hatte, konnte sie sich nicht einmal den Weg von ihrem und Monas Zimmer bis zu dem Büro der Schulleiterin merken.
„Also, im Grunde wird sie dir jetzt alles erzählen, was ich dir erzählt habe. Ihre Gabe ist es, jede beliebige Sprache zu sprechen. Also dann, viel Glück bei dem Versuch, nicht einzuschlafen! Bis später!”
Und damit lief sie davon.
Clarissa seufzte und klopfte an der Tür.
Ein bis zwei Mal wiederholte sie es, bis endlich jemand „herein“ rief.
Was genau alles die Direktorin gesagt hatte, wusste Clarissa nicht, da sie nicht zugehört hatte, weil Mona ihr schon alles erklärt hatte.
Sie wusste nur noch, dass es ein superriesiges Büro war mit einem sehr schönen Perserteppich. Nachdem das Gespräch fertig war, und Clarissa sich bei der Direktorin verabschiedet hatte, die den komischsten Namen trug, den Clarissa je gehört hatte, versuchte sie, alleine den Weg zurück zum Zimmer zu finden.
Aber sie merkte schnell, dass sie lieber hätte die Direktorin fragen sollen.
Als Clarissa eine Uhr irgendwo fand, erschrak sie.
Sie war jetzt schon tatsächlich eine Stunde unterwegs auf der Suche nach ihrem Zimmer. Obwohl sie langsam müde wurde, musste sie doch lächeln.
War ja klar, dass ihr so etwas am ersten Tag passieren würde.
„Da bist du ja! Ich habe mich ein wenig verspätet und bin dann noch schnell zur Direktorin gerannt, um dich abzuholen, aber dann warst du nicht mehr da, entschuldige. War wohl nicht der beste Einstieg in die Schule” – Clarissa drehte sich um und erblickte eine niedergeschlagene Mona.
Um sie herum standen noch zwei Mädchen und ein Junge, die auch nicht älter als zwölf wirkten.
„Ist in Ordnung, Mona. Ich hätte einfach warten müssen. Und, na ja, jetzt werde ich mich wenigstens besser an meinen ersten Tag hier an der Schule erinnern können”, antwortete Clarissa, um Mona ein bisschen aufzuheitern, da ihr die fröhliche Mona definitiv besser gefiel als die traurige.
„Super! Das ist Sofie, ihre Gabe ist es, sich auf beliebige Größe zu vergrößern und dann, wenn sie so groß ist, kann sie auch ihre Stärke vergrößern. Also im Grunde könnte sie die Schule einreißen, mit bloßen Händen.”
Clarissa betrachtete Sofie, die unglaublich blonde Haare hatte, die ihr glatt bis zur Hüfte reichten. Sie war ziemlich blass und hatte intensive grüne Augen.
„Das ist Rosie, sie kann sich klein machen, also so klein zum Beispiel wie eine Fliege, aber natürlich nicht unendlich, sonst ist sie irgendwann ja weg. Aber wenn sie klein ist, dann kann sie fliegen. Ist das nicht mega? Also im Grunde sind Sofie und Rosie das genaue Gegenteil, oder zumindest fast.”
Rosie war ein wunderschönes Mädchen, wie Clarissa fand. Nicht, dass die anderen hässlich wären, ganz und gar nicht, aber für Clarissa strahlte Rosie einfach etwas unglaublich Schönes aus. Sie hatte braune reine Haut und goldene Augen. Ihre Haare waren lockig und hatten eine hellbraune Farbe.
„Und das ist Theo, er kann rennen wie der Blitz. Da musst du dich fragen, was ist schneller: das Licht, der Schall oder Theo?”“
Das war das erste Mal, dass alle als eine Gruppe zusammen lachten.
„Und für die anderen: Das ist Clarissa. Morgen macht sie die Tests und dann weiß sie übermorgen bereits, was sie für Fähigkeiten hat. Also, ich bring dich mal in unser Zimmer, Clarissa. Komm, du bist bestimmt müde.”
„Äh, also, die anderen gucken so. Ich bin gar nicht so müde, die können ruhig mit. Ich würde gerne noch mit ihnen ein bisschen reden.”
„Ihr habt gehört, Leute! Kommt mit!”
Und so gingen sie also zu fünft, ohne dass Clarissa sich wie ein fünftes Rad fühlte.
Sie hatte eher das Gefühl, dass diese Menschen um sie herum für sie da sein würden und dabei hatten sie nicht mal ein Wort ausgetauscht.
Clarissa verfluchte sich dafür, dass sie schon wieder vergessen hatte, aufzupassen, wo sie lang gingen, doch Hauptsache, sie kamen an.
Sie blieben im Gemeinschaftsraum und redeten darüber, woher sie kamen und was sie dort so in ihrer Freizeit alles taten.
Clarissa konnte sich nur merken, dass Sofie aus Österreich, Rosie aus Frankreich und Theo auch aus der Schweiz kam.
Und in ihrer ersten Nacht schlief sie im Gemeinschaftsraum in ihrem ersten Freundeskreis ein und träumte allen Ernstes von rosa Wattewolken und Regenbögen, aber sie freute sich irgendwie, sie nahm diesen Traum als Zeichen.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, lag Clarissa in ihrem neuen Bett und der erste Gedanke galt ihren neuen Freunden und das erste, was sie an diesem entscheidenden Tag tat, war lächeln.
Heute würde sie endlich die Tests durchführen!
Da erinnerte sie sich, dass Mona heute erfahren würde, was ihre Fähigkeit war.
Und als sie sich umdrehte, sah sie auch, wie Mona nervös an ihren Nägeln kaute.
Sie war schon fertig angezogen.
Die Schuluniform hatte einen schwarzen Rock, kniehohe weiße Strümpfe, ein hellblaues T-Shirt und ein ebenfalls hellblaues Band für die Haare.
Clarissa hatte bei der Ankunft schon in ihren Kleiderschrank am Fußende des Bettes geguckt und gesehen, dass dort bereits eine Schuluniform drin war.
Rasch schlüpfte Clarissa in ihre Schuluniform und machte sich dann im Bad fertig, um Mona zu beruhigen.
Zusammen gingen sie dann runter zur Mensa zum Frühstücken, aber Clarissa bekam nicht wirklich viel von den Gesprächen mit, weil sie zu sehr an die Tests denken musste, doch sie hatte Glück. Die anderen verstanden ihre und Monas Lage und sagten, dass sie vollstes Verständnis dafür hätten, da sie genauso gewesen wären.
Das Essen war wie zu Hause, also Brötchen mit Käse oder Wurst, ein bisschen Salat und Ei.
Auf jeden Fall besser als das Mittagessen auf Nonnenwerth.
Nach dem Essen brachten Rosie und Theo Clarissa zu den Testräumen. Sofie brachte Mona zum Versammlungsraum der Schulleitung.
Clarissa gab es auf, zu versuchen, sich zu merken, wo alles lag. Sie hoffte darauf, dass sie sich einfach irgendwann zurechtfand.
Tatsächlich erinnerte sich Clarissa danach nicht, was es für Tests waren, aber sie hatte irgendwie ein mulmiges Gefühl.
Als sie aus dem Raum ging, stieß sie fast mit Rosie zusammen, die anscheinend grade erst gekommen war, um sie wieder abzuholen. Clarissa wurde erzählt, dass Rosie unbedingt Deutsch lernen wollte, um mit Theo, Sofie und Mona kommunizieren zu können. Jetzt konnte sie Deutsch, wenn auch mit starkem Akzent.
„Willst du was essen? Du hast noch kein Mittagessen gegessen”, fragte Rosie besorgt.
„Was? Wieviel Uhr ist es?”
„Es ist schon vier. Um zwölf ist für gewöhnlich das Mittagessen.”
„Jetzt, wo du es sagst, habe ich doch Hunger.”
Während sie zur Mensa gingen, überlegte Clarissa, über welche Gaben sie sich alles freuen würde, als ihr der Gedanke kam, dass Mona ihre Gabe heute gesagt bekommen hatte.
„Sag mal, Rosie, welche Fähigkeit hat Mona jetzt eigentlich?”
„Sie war total froh und meinte, dass wäre für sie wie ein Geschenk von Gott.”
Sie zuckte mit den Schultern und meinte: „Ihre Gabe ist es, alle Dinge, die sie sieht, hört oder was auch immer, nie mehr vergisst. Sie muss jetzt lernen, sie an- und auszuschalten.”
Zum Mittagessen gab es Reis mit Hähnchenkeulen, etwas, das Clarissa an zu Hause erinnerte.
Sie waren die Einzigen, aber Rosie hatte ihr erklärt, dass die Direktorin auf solche Sachen achtete, also wann wer etwas hatte, damit sich jeder wohl und nicht hungrig fühlt.
„Hier ist es so, dass du nicht nur in den normalen Unterricht gehst, sondern auch in das sogenannte Fähigkeitstraining. Es wird geguckt, welcher Lehrer die ähnlichste Fähigkeit mit dir hat. Dann kannst du von ihm lernen und das, was er dir nicht beibringen kann, musst du selbst herausfinden. Ich bin mit Sofie beim selben Lehrer, um unsere Körper besser kennenzulernen und kontrollieren zu können. Also hast du auch öfter Freistunden, um deinen Körper und Geist nicht zu überfordern.”
Obwohl Clarissa verstand, dass ihr Gedächtnis nicht ganz so gut war wie das von Mona, hielt sie Rosie nicht davon ab, ihr alle Lehrernamen zu nennen und das dazugehörige Fach.
Rosie brachte Clarissa hoch zu ihrem Zimmer, wo bereits Mona an dem Tisch saß, und verabschiedete sich.
„Herzlichen Glückwunsch! Rosie hat mir erzählt, was deine Fähigkeit ist. Echt klasse!”
„Ja, oder? Es ist fantastisch! Ich kann es immer noch nicht fassen. Stell dir mal vor, wie leicht jeder Vokabeltest wäre.”
„Hör auf! Du machst mich ganz neidisch!”
„Ach, stimmt, wie waren die Tests? Also, du erinnerst dich ja nicht, aber wie fühlst du dich?”
„Ganz in Ordnung. Aber jetzt, wenn ich daran denke, dass ich morgen erfahren werde, was ich kann, weiß ich, dass ich nicht schlafen werde.”
„Das dachte ich am Anfang auch, aber mach dir keine Sorgen. Irgendwann schläfst du noch ein. Wenn du dich jetzt schlafen legst, bist du wahrscheinlich zur richtigen Zeit eingeschlafen.”
„Wie bitte? Es ist doch erst fünf!”
„Vertrau mir. Wir sind doch jetzt Freundinnen, oder?”
Clarissa musste sich auf die Lippen beißen und die Finger ineinander verschränken, damit sie nicht zu sehr zitterten.
„Ja, das sind wir.”
„Klasse, also mach dich jetzt fertig und leg dich hin. Du brauchst Schlaf.”
Nachdem Clarissa sich fertig gemacht hatte, drehte sie sich noch einmal zu Mona um.
„Danke, Mona.”
Und mit diesen Worten schlief sie ein.
Dieses Mal wachte sie vor Mona auf und machte sich auch ganz schnell fertig, da sie einfach nicht still bleiben konnte und so etwas zu tun hatte.
Danach blieb sie einfach auf ihrem Bett sitzen und kaute, wie am Tag davor Mona, auf ihren Fingernägeln herum.
Als Mona aufwachte und Clarissa erblickte, die genauso dasaß wie sie selbst am Tag davor, musste sie lächeln und steckte Clarissa mit ihrem Lächeln an.
„Aufgeregt?”, nuschelte Mona verschlafen.
Clarissa konnte nicht reden, weshalb sie einfach nur nickte.
Heute würde sie endlich erfahren, was sie noch einmaliger machte als ihr Aussehen.
Ihre Gabe.
Während sie die Treppe runtergingen, hielt Mona Clarissas Hand, um zu bestätigen, dass sie jetzt tatsächlich Freundinnen waren.
Dadurch fühlte sich Clarissa auch wirklich ein bisschen stärker.
Der Raum, in dem ihr gesagt werden sollte, welche Fähigkeit Clarissa besaß, war das Büro der Direktorin Fitzlekom, deren Gabe darin bestand, jede Sprache sprechen zu können, was als Direktorin einer Internationalen Schule sehr hilfreich war.
Dass es lediglich das Büro war und nicht irgendein geheimer Raum, zerstörte Clarissas feierliche Stimmung.
Clarissa hätte auch erwartet, dass sie das ganze Schulleitungsteam antreffen würde, aber es war nur die Direktorin persönlich.
„Ich mag keine dramatischen Momente, also mache ich es kurz und schmerzlos.”
Diese Frau erinnerte Clarissa irgendwie an ihre alte Direktorin. Direkt und humorlos.
„Du hast eine sehr schöne Gabe. Deine Gabe ist es, Hoffnung zu schenken.”
Mehr brauchte Clarissa nicht zu hören.
Sie stürzte aus dem Büro und war froh, dass die Toilette ganz nah war.
Vor der Kloschüssel hockte sie sich hin und erbrach alles, was sie zum Frühstück gegessen hatte.
Sie hörte, wie hinter ihr die Tür aufgemacht wurde, versuchte aber, das Geräusch zu ignorieren.
Doch als sie merkte, dass Mona kam, um ihre Haare zurückzuhalten, konnte Clarissa nicht anders und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Mona, ihre erste Freundin, fragte nicht, sondern streichelte Clarissa den Rücken und gab beruhigende Laute von sich.
In diesem Moment dankte ihr Clarissa für ihre unglaubliche Einfühlsamkeit.
Mona hatte mittlerweile Clarissas Haare mit ihrem eigenen Band zusammengebunden und als Clarissa fertig war, half sie Clarissa, sich auf ihren Beinen zu halten, die Clarissa plötzlich nicht mehr gehorchen wollten.
Mona führte sie aus der Kabine, wo Rosie wartete, die nun Clarissa auch ans Herz gewachsen war.
Sofie war auch da und bedachte Clarissa mit einem mitfühlenden Blick.
Sie alle halfen Clarissa, ihr Gesicht zu säubern und ihre Hände zu waschen.
Als sie wieder draußen auf dem Flur waren, kam auch Theo schnell herbeigeeilt. Alle zusammen führten Clarissa nach draußen zu einer Wiese, die nur durch einen Gärtner mit bestimmten Fähigkeiten hier unter Wasser überlebte.
Sie setzten sich in einen Kreis und warteten eine Weile, bis Mona das Reden übernahm.
„Willst du uns erzählen, was passiert ist? Wir wollen dich zu nichts zwingen.”
Clarissa schluckte schwer.
Es wäre das erste Mal, dass sie mit jemandem darüber sprach, aber sie vertraute den anderen und merkte, dass sie jetzt richtige Freunde geworden waren.
Also holte sie tief Luft und begann:
„Meine Gabe ist es, Hoffnung zu schenken. Ich weiß, daran ist nichts schlimm. Wahrscheinlich denkt ihr, dass das eine sehr hoffnungsvolle Gabe ist. Das ist sie vielleicht auch. Aber nicht für mich. Wisst ihr, mein Vater hat Selbstmord begangen und mich, meine Mutter und meine neun Geschwister im Stich gelassen…”
Als Clarissa aufblickte, sah sie in vier geschockte Gesichter und redete weiter.
„Es war eine Zeit, in der es nicht gut lief. Wir hatten wenig Geld und jedes Mal fing aus jedem noch so kleinen Grund Streit an. Wir überlegten, unser Haus zu verkaufen und viele meiner Geschwister wurden schlechter in der Schule. Mein Vater hatte die Hoffnung aufgegeben und sich dafür entschieden, uns mit den Problemen alleine zu lassen. Aber meine Mutter hatte uns nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Sie arbeitete jeden Tag mit nur sehr kurzen Pausen, um uns alles zu ermöglichen. Wir mussten dann unser Haus tatsächlich verkaufen und zogen in eine kleinere Wohnung. Ich bewundere meine Mutter dafür, dass sie meinen Vater hinter sich lassen konnte und weiter lebt. Hätte ich meinem Vater Hoffnung geschenkt, wären wir immer noch in dem Haus, in dem ich aufgewachsen war. Hätte ich meinem Vater Hoffnung geschenkt, hätte meine Mutter mehr Zeit für sich und für uns. Hätte ich meinem Vater Hoffnung geschenkt, dann wären wir noch eine Familie…”
Da versagte ihre Stimme und sie musste wieder weinen, aber es war ihr nicht peinlich, denn sie war stolz auf ihre Mutter. Ihre Freunde kamen zu ihr und sagten beruhigende Worte, die sie zwar beruhigten, aber da sie so sehr schluchzte, nicht wirklich verstand.
„Du hast wirklich eine unglaubliche Mutter.”
„Du bist aber auch ziemlich stark.”
„Ich kann wirklich verstehen, wie du dich fühlst. Ich hätte wahrscheinlich genauso reagiert.”
„Wir sind alle stolz auf dich.”
Clarissa ließ sich mit einem Lächeln nach hinten auf die Wiese fallen und schaute in das himmelblaue Wasser.
Die anderen taten es ihr gleich, sodass sie jetzt in einem Kreis lagen.
In diesem Moment des Friedens, von ihren Freunden umgeben und mit einem reinen Tisch, wusste Clarissa eine Sache ganz sicher.
Und die sagte sie dann auch laut.
„Das ist der Anfang meines Lebens.”